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Lord Peter 03 - Keines natürlichen Todes

Lord Peter 03 - Keines natürlichen Todes

Titel: Lord Peter 03 - Keines natürlichen Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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zur Zeit noch lebenden leiblichen Geschwister beziehungsweise, wenn eines der Geschwister vor dem Erblasser gestorben ist, an dessen Nachkommenschaft. Falls keine Geschwister des –«
    »Halt, halt! Weiter brauchen Sie nicht zu gehen. Sind Sie sich dessen absolut sicher? Das Erbe fällt an die Nachkommen der Geschwister?«
    »Ja. Das heißt, wenn Sie selbst sterben, ohne ein Testament gemacht zu haben, und Ihr Bruder Gerald und Ihre Schwester Mary sind bereits tot, dann wird Ihr Geld zu gleichen Teilen unter Ihren Nichten und Neffen aufgeteilt.«
    »Gut. Aber nehmen wir an, die sind auch schon alle tot – könnte ja sein, daß ich so unverschämt lange lebe, bis von mir nur noch Großneffen und Großnichten übrig sind – würden sie mich dann beerben?«
    »Was denn – ja doch, das will ich doch meinen«, sagte Mr. Murbles, jetzt allerdings etwas weniger sicher. »Doch, das glaube ich schon.«
    »Natürlich erben sie«, sagte Parker ein wenig ungeduldig.
    »Wenn es doch im Gesetz heißt, die Nachkommenschaft eventuell bereits verstorbener Geschwister.«
    »Ha! Aber jetzt bitte nicht voreilig werden«, stürzte Mr. Murbles sich gleich auf ihn. »Für den Laien mag das Wort ›Nachkommenschaft‹ vielleicht ganz eindeutig sein. Aber juristisch« – Mr. Murbles, der bis zu diesem Augenblick den rechten Zeigefinger auf dem linken Ringfinger liegen gehabt hatte, um auf die Erbansprüche eventueller Halbgeschwister abzuheben, legte jetzt die linke Hand auf den Tisch und schüttelte den rechten Zeigefinger warnend in Parkers Richtung –, » juristisch kann dieses Wort zwei oder sogar noch mehr Bedeutungen haben, je nachdem, in welchem Zusammenhang es auftaucht und von welchem Datum das fragliche Dokument ist.«
    »Aber nach dem neuen Recht –«, drängte Lord Peter.
    »Ich bin nicht direkt Spezialist für Erbrecht«, sagte Mr. Murbles, »und möchte mich da in der Interpretation nicht festlegen, um so weniger, als vor Gericht bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Frage der Nachkommen noch nicht vorgekommen ist – haha! sollte gar kein Wortspiel werden, haha! Aber nach meinem ersten, vorsichtigen Urteil, das Sie jedoch nicht ohne Bestätigung durch eine gewichtigere Autorität übernehmen sollten, bedeutet Nachkommenschaft in diesem Falle – glaube ich – Nachkommenschaft ad infinitum, wonach die Großneffen und Großnichten also erbberechtigt wären.«
    »Aber darüber könnten die Meinungen auseinandergehen?«
    »Ja – die Frage ist eben sehr kompliziert –«
    »Was habe ich gesagt?« stöhnte Peter. » Wußte ich doch, daß dieses Vereinfachungsgesetz nur ein heilloses Durcheinander schaffen würde.«
    »Darf ich einmal fragen«, erkundigte sich Murbles, »wofür Sie das alles eigentlich wissen wollen?«
    »Nun ja, Sir«, sagte Wimsey, indem er aus seiner Brieftasche die Ahnentafel der Familie Dawson nahm, die Hochwürden Hallelujah Dawson ihm gegeben hatte, »es geht um das hier. Wir haben von Mary Whittaker immer als von Agatha Dawsons Nichte gesprochen; so wurde sie immer genannt, und sie selbst spricht von der alten Dame als von ihrer Tante. Wenn man sich das hier aber ansieht, stellt man fest, daß sie in Wirklichkeit nur die Großnichte ist; sie ist die Enkelin von Agathas Schwester Harriet.«
    »Ganz recht«, sagte Murbles. »Trotzdem war sie offenbar die nächste lebende Anverwandte, und da Agatha Dawson 1925 gestorben ist, mußte ihr Geld nach dem alten Erbrecht fraglos an Mary Whittaker fallen. Daran gibt es nichts zu deuteln.«
    »Nein«, sagte Wimsey. »Nicht das mindeste, und darum geht’s ja. Aber –«
    »Mein Gott!« rief Parker dazwischen. »Jetzt verstehe ich, worauf du hinauswillst. Wann ist das neue Erbrecht in Kraft getreten, Sir?«
    »Im Januar 1926«, antwortete Mr. Murbles.
    »Und Miss Dawson ist – ziemlich unerwartet, wie wir wissen – im November 1925 gestorben«, fuhr Peter fort. »Wenn sie aber weitergelebt hätte, wie ihr Arzt es eigentlich erwartet hatte, sagen wir bis Februar oder März 1926 – sind Sie ganz sicher, Sir, daß Mary Whittaker sie dann auch beerbt hätte?«
    Mr. Murbles öffnete den Mund, um zu antworten – und schloß ihn wieder. Ganz langsam rieb er seine Hände aneinander. Er nahm die Brille ab und setzte sie sich fester auf die Nase.
    »Sie haben vollkommen recht, Lord Peter«, sagte er mit feierlicher Stimme. »Das ist eine sehr ernste und wichtige Frage. Viel zu wichtig, als daß ich jetzt ein Urteil darüber abgeben sollte. Wenn ich Sie richtig

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