Lord Peter 03 - Keines natürlichen Todes
nur Schwindel war, denn ein Gouverneur dieses Namens hat nie existiert. Für mich als Christ war das natürlich ein herber Schlag – aber da vom Erbe sowieso nichts mehr da war, hat es uns eigentlich nicht soviel ausgemacht.«
»Das war aber wirklich Pech«, sagte Peter mitfühlend.
»Ich habe mich in Demut damit abgefunden«, sagte der alte Polynesier mit einer würdevollen Verbeugung. »Mr. Probyn war überdies so freundlich, mir einen Brief an Miss Agatha Dawson, die einzige Überlebende unserer Familie, mitzugeben, um mich ihr vorzustellen.«
»Ja, sie hat in Leahampton gewohnt.«
»Sie hat mich überaus reizend empfangen, und als ich ihr sagte, wer ich bin – natürlich in dem Bewußtsein, daß ich nicht die mindesten Ansprüche gegen sie hatte –, war sie so nett, mir eine Zuwendung von hundert Pfund jährlich zu machen, die sie bis zu ihrem Tod bezahlt hat.«
»Haben Sie sie nur dieses eine Mal gesehen?«
»Ja. Ich wollte ihr ja nicht lästig werden. Es konnte ihr nicht sehr angenehm sein, einen Verwandten mit meiner Hautfarbe ständig bei sich zu Hause zu haben«, sagte Hochwürden Hallelujah mit einer Art stolzer Demut. »Aber sie hat mich zum Essen eingeladen und sich sehr freundlich mit mir unterhalten.«
»Und – verzeihen Sie mir die Frage, die Sie hoffentlich nicht unverschämt finden – aber zahlt Miss Whittaker Ihnen die Zuwendung weiter?«
»Hm, nein – ich – vielleicht sollte ich es gar nicht von ihr erwarten, aber an unseren Verhältnissen würde es schon sehr viel ändern. Und eigentlich hatte Miss Dawson mir Hoffnung gemacht, daß sie weitergezahlt würde. Sie hat mir gesagt, sie könne sich gar nicht mit dem Gedanken anfreunden, ein Testament zu machen, aber sie hat gesagt: ›Es ist ja auch nicht nötig, Vetter Hallelujah, denn Mary bekommt mein ganzes Geld, wenn ich nicht mehr bin, und dann kann sie die Zuwendung in meinem Namen weiterzahlen.‹ Aber vielleicht hat Miss Whittaker das Geld dann doch nicht bekommen.«
»O doch, sie hat. Sehr merkwürdig. Vielleicht hat sie es vergessen?«
»Ich habe mir die Freiheit genommen, ihr nach dem Tod ihrer Tante ein paar Worte des geistlichen Trostes zu schreiben. Vielleicht hat ihr das nicht gefallen. Ich habe natürlich nicht wieder geschrieben. Aber ich wehre mich dagegen, zu glauben, ihr Herz habe sich gegenüber den Unglücklichen verhärtet. Es gibt gewiß eine Erklärung.«
»Sicherlich«, sagte Lord Peter. »Ich bin Ihnen jedenfalls sehr dankbar für Ihre freundliche Hilfe. Damit wäre die Sache mit Simon und seiner Nachkommenschaft ziemlich geklärt. Ich notiere mir nur noch rasch die Namen und Daten, wenn Sie gestatten.«
»Aber natürlich. Ich hole Ihnen die Skizze, die Mr. Probyn freundlicherweise für mich angefertigt hat. Auf der können Sie unsere ganze Familie sehen. Entschuldigen Sie mich kurz.«
Im Handumdrehen kam er mit einem nach juristischem Formblatt aussehenden blauen Blatt Papier wieder, auf dem säuberlich eine Ahnentafel aufgezeichnet war.
Wimsey notierte sich die Einzelheiten, soweit sie Simon Dawson, seinen Sohn Bosun und Enkel Hallelujah betrafen. Plötzlich zeigte er mit dem Finger auf eine Eintragung weiter unten.
»Sieh mal, Charles«, sagte er. »Da ist ja unser Pater Paul – der böse Bube, der katholisch wurde und ins Kloster ging.«
»Tatsächlich. Aber – er ist tot, Peter – gestorben 1922, drei Jahre vor Agatha Dawson.«
»Nun ja, dann müssen wir ihn eben streichen. Solche kleinen Rückschläge kommen vor.«
Sie vollendeten ihre Notizen, und nachdem sie sich von Hochwürden Hallelujah verabschiedet hatten, traten sie nach draußen, wo »Mrs. Merdle« von Esmeralda tapfer gegen alle Angreifer verteidigt wurde. Lord Peter überreichte ihr die halbe Krone und nahm von ihr den Wagen in Empfang.
»Je mehr ich über Miss Whittaker zu hören bekomme«, sagte er, »desto weniger mag ich sie. Sie hätte doch wenigstens dem armen alten Vetter Hallelujah seine hundert Pfund geben können.«
»Ein raffgieriges Weib«, pflichtete Parker ihm bei. »Jedenfalls ist Pater Paul aber tot und ausgeschieden, und Vetter Hallelujah ist illegitimen Ursprungs. Somit hat es mit dem lange verschollen gewesenen Erben aus Übersee ein Ende.«
»Verdammt und zugenäht!« rief Wimsey, wobei er die Hände vom Lenkrad nahm und sich zu Parkers großem Entsetzen am Kopf kratzte. »Das kommt mir doch irgendwie bekannt vor. Wo zum Kuckuck habe ich denn diese Worte nur schon einmal gehört?«
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Juristische
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