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Lord Peter 03 - Keines natürlichen Todes

Lord Peter 03 - Keines natürlichen Todes

Titel: Lord Peter 03 - Keines natürlichen Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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Sie trinken ja Ihren Kaffee gar nicht.«
    »Bitte um Verzeihung –« Wimsey riß sich mit Gewalt zusammen. »Ich – ich habe geträumt – zwei und zwei zusammengezählt, könnte man sagen. Dann war er also doch die ganze Zeit hier – dieser Schlaufuchs. Ach ja, der Kaffee. Haben Sie was dagegen, wenn ich den hier fortschütte und mir welchen ohne Zucker nehme?«
    »Ach, das tut mir leid. Ich bilde mir immer ein, alle Männer trinken den Kaffee schwarz und süß. Geben Sie her – ich gieße ihn weg.«
    »Wenn Sie gestatten.« Wimsey stand rasch auf. Es war kein Ausguß in der Nähe, und so goß er den Kaffee in den Blumenkasten vor dem Fenster. »So geht’s auch. Und Sie selbst, auch noch eine Tasse?«
    »Nein danke – ich sollte lieber keinen mehr trinken, er hält mich so wach.«
    »Nur ein Schlückchen.«
    »Na schön, wenn Sie wollen.« Sie füllte beide Tassen und trank schweigend. »Wissen Sie – eigentlich ist das schon alles. Ich dachte eben nur, ich sollte es Ihnen vielleicht lieber sagen.«
    »Das war sehr lieb von Ihnen«, sagte Wimsey.
    Sie saßen noch eine Weile und unterhielten sich – über das Theaterprogramm (»Ich gehe sehr wenig aus, wissen Sie, unter solchen Umständen begibt man sich lieber nicht ins Rampenlicht«) und Bücher (»Ich verehre Michael Arien«). Ob sie schon Verliebte junge Männer gelesen habe? Nein – aber sie habe es in der Bibliothek bestellt. Möchte Mr. Templeton nicht etwas essen oder trinken? Wirklich nicht? Einen Kognak? Likör?
    Danke, nein, und außerdem fand Mr. Templeton, er müsse sich allmählich wieder davonmachen.
    »Nein – gehen Sie noch nicht – ich fühle mich an diesen langen Abenden immer so einsam.«
    In ihrer Stimme lag so etwas verzweifelt Flehentliches, daß Lord Peter sich wieder hinsetzte.
    Sie begann ihm eine unzusammenhängende und ziemlich wirre Geschichte über ihren »Freund« zu erzählen. Sie habe ja so viel aufgegeben für ihren Freund, und nun, da ihre Scheidung wirklich bevorstehe, habe sie das schreckliche Gefühl, er sei am Ende nicht mehr so zärtlich wie früher. Es sei sehr schwierig für eine Frau, und das Leben sei doch so hart.
    Und so weiter.
    Die Minuten vergingen, und Lord Peter bemerkte voll Unbehagen, daß sie ihn beobachtete. Die Worte sprudelten aus ihr heraus – hastig, aber leblos, wie auswendig gelernt, doch ihr Blick war lauernd wie bei einem, der etwas erwartet. Etwas Erschreckendes, wie es ihm vorkam, was sie aber zu bekommen fest entschlossen war. Der Blick erinnerte ihn an einen Mann, der operiert werden soll – schon ganz darauf eingestellt, er weiß, daß es zu seinem Besten ist, und doch fürchtet er sich mit jeder Faser davor.
    Er führte seinerseits die alberne Unterhaltung fort, aber hinter dem Sperrfeuer von Belanglosigkeiten huschten seine Gedanken hin und her, sondierten die Zielrichtung, schätzten die Entfernung …
    Plötzlich begriff er, was sie vorhatte – hilflos, ungeschickt wie gegen ihren eigenen Willen, versuchte sie ihn zu verführen.
    Den Umstand selbst fand Wimsey nicht weiter merkwürdig. Er war reich genug, wohlerzogen genug, anziehend und weltgewandt genug, um in seinen siebenunddreißig Lebensjahren schon manch ähnliche Einladung erhalten zu haben. Und nicht immer waren es erfahrene Frauen. Es waren welche darunter, die ihrerseits Erfahrung suchten, und eben auch solche, von denen man etwas lernen konnte. Aber dieser derart unbeholfene Annäherungsversuch von seiten einer Frau, die nach eigenem Bekunden bereits einen Ehemann nebst Liebhaber besaß, war ein Phänomen außerhalb seines bisherigen Erfahrungsbereichs.
    Obendrein hatte er das dumme Gefühl, die Sache werde unerfreulich. Mrs. Forrest war ja eine durchaus attraktive Frau, aber für ihn besaß sie nicht den mindesten Reiz. Trotz ihrem ganzen Make-up und dem etwas ausgefallenen Kostüm kam sie ihm doch mehr wie eine alte Jungfer vor – fast sogar geschlechtslos. Schon bei ihrer ersten Begegnung hatte ihn das verwirrt. Parker – ein junger Mann von strenger Tugend und begrenzter Welterfahrung – besaß für solche Ausstrahlungen keine Antenne, aber Wimsey war sie schon damals als ein im Grunde ungeschlechtliches Wesen vorgekommen. Und jetzt empfand er das sogar noch stärker. Noch nie war er einer Frau begegnet, der »das große Es«, von Mrs. Elinor Glyn so wortreich besungen, derart vollkommen fehlte.
    Sie lehnte jetzt ihre bloße Schulter an ihn und machte weiße Puderflecke auf seinen schwarzen Anzug.
    Erpressung war

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