Lord Peter 03 - Keines natürlichen Todes
Frauen eifersüchtig zu sein«, antwortete Miss Climpson nachdenklich, »und Eifersucht macht die Menschen nun einmal zänkisch und ungezogen. Ich glaube, wenn jemand eine bestimmte Sorte Menschen gern verachten möchte , aber den scheußlichen Verdacht hat, daß er sie nicht wirklich verachten kann, dann wird er die Verachtung in seinem Reden extra übertreiben. Und genau aus diesem Grunde, meine Liebe, hüte ich mich sehr, abfällig über Männer zu reden – obwohl sie es manchmal wirklich verdienen, wie Sie selbst wissen. Aber wenn ich es täte, würden alle meinen, ich sei eine mißgünstige alte Jungfer, nicht wahr?«
»Also, ich habe jedenfalls vor, eine alte Jungfer zu werden«, erwiderte Miss Findlater. »Mary und ich sind fest dazu entschlossen. Wir interessieren uns für Dinge, nicht für Männer.«
»Sie haben ja schon einen schönen Vorgeschmack davon bekommen, wie das gehen wird«, sagte Miss Climpson. »Mit einem Menschen einen ganzen Monat zusammenzuleben, ist eine ausgezeichnete Prüfung . Sie hatten doch sicher jemanden, der Ihnen den Haushalt führte?«
»Keine Menschenseele. Wir haben jeden Handgriff selbst getan, und es hat riesigen Spaß gemacht. Ich verstehe mich gut aufs Fußbodenscheuern, Feuermachen und so weiter, und Mary ist einfach eine wundervolle Köchin. Es war mal etwas so ganz anderes, als wenn immer das Personal um einen herumschleicht wie zu Hause. Das Häuschen war natürlich auch ganz modern und arbeitssparend eingerichtet – ich glaube, es gehört irgendwelchen Theaterleuten.«
»Und was haben Sie gemacht, wenn Sie sich gerade nicht über die Geflügelzucht informierten?«
»Oh, dann sind wir im Wagen herumgefahren und haben Städte und Märkte besucht. Diese Märkte mit den alten Bauern und all diesen komischen Leuten sind herrlich amüsant. Ich war natürlich früher schon oft auf Märkten gewesen, aber Mary hat es erst richtig interessant gemacht – und dann haben wir auch dort immerzu gute Tips für unser späteres Geschäft aufgeschnappt.«
»Sind Sie überhaupt nie in London gewesen?«
»Nein.«
»Ich hätte gedacht, Sie würden die Gelegenheit zu einer kleinen Spritztour nutzen.«
»Mary haßt London.«
»Aber Sie wären doch sicher ab und zu mal gerne hingefahren.«
»Ich bin nicht darauf versessen. Jedenfalls nicht mehr. Früher habe ich mir das eingebildet, aber das war wohl nur diese innere Rastlosigkeit, die einen befällt, wenn man kein Ziel im Leben hat. Es lohnt sich alles nicht.«
Miss Findlater sprach mit der Ernüchterung des Lebemannes, der die Orange des Lebens gekostet und festgestellt hat, daß sie ein Sodomsapfel war. Miss Climpson lächelte nicht. Sie war an die Rolle der Vertrauten gewöhnt.
»Dann waren Sie also die ganze Zeit zusammen – nur Sie beide?«
»Jede Sekunde. Und wir sind uns dabei keinen Augenblick auf die Nerven gegangen.«
»Ich wünsche Ihrem Experiment sehr viel Erfolg«, sagte Miss Climpson. »Aber wenn Sie nun wirklich Ihr gemeinsames Leben beginnen, würden Sie es nicht für klug halten, auch ein paar kleine Pausen vorzusehen? Ab und zu einmal andere Gesellschaft tut jedem gut. Ich habe schon so manche gute Freundschaft in die Brüche gehen sehen, nur weil die Leute einander einfach zu oft sahen.«
»Dann können es keine richtigen Freundschaften gewesen sein«, versicherte das Mädchen dogmatisch. »Mary und ich sind miteinander restlos glücklich.«
»Trotzdem«, sagte Miss Climpson, »wenn Sie einer alten Frau eine gutgemeinte Warnung nicht verübeln – ich würde raten, den Bogen nicht unentwegt gespannt zu lassen. Nehmen wir zum Beispiel einmal an, Miss Whittaker möchte fortfahren und einen Tag für sich allein in London verbringen – oder vielleicht Freunde besuchen – Sie würden dann lernen müssen, sich nicht daran zu stören.«
»Natürlich würde ich mich nicht daran stören. Schließlich« – sie fing sich rasch – »ich meine, ich bin ganz sicher, daß Mary mir ebenso in jeder Beziehung die Treue halten würde wie ich ihr.«
»So ist es recht«, sagte Miss Climpson. »Je länger ich nämlich lebe, meine Liebe, desto fester bin ich überzeugt, daß Eifersucht von allen Gefühlen am tödlichsten ist. Die Bibel nennt sie grausam wie das Grab, und ich glaube, so ist es. Absolute Treue ohne Eifersucht, darauf kommt es an.«
»Ja, obwohl man sich natürlich nicht gern vorstellen möchte, daß ein Mensch, mit dem man so richtig befreundet ist, einen plötzlich gegen jemand anderen eintauscht …
Weitere Kostenlose Bücher