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Lord Peter 03 - Keines natürlichen Todes

Lord Peter 03 - Keines natürlichen Todes

Titel: Lord Peter 03 - Keines natürlichen Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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machte oder aber vor dem 31. Dezember 1925 verschied. Obwohl mir über die junge Dame nichts Nachteiliges bekannt war, habe ich es noch nie für ratsam gehalten, einer Person zu genau zu erklären, was sie durch den unerwarteten Tod einer anderen Person zu gewinnen habe. Im Falle unvorhergesehener Ereignisse könnten sich die Erben in einer zweifelhaften Situation wiederfinden, da die Tatsache, daß sie über dieses Wissen verfügten, sich – falls sie bekannt würde – für ihre Interessen als sehr schädlich erweisen könnte. Ich habe mir lediglich zu sagen erlaubt, daß man, falls Miss Dawson mich je zu sprechen wünsche, unverzüglich nach mir schicken solle. Aber nachdem Miss Dawson mir die Wahrnehmung ihrer Angelegenheiten entzogen hatte, stand es natürlich nicht mehr in meiner Macht, weiterhin einzugreifen.
    Im Oktober 1925 habe ich mich, da meine Gesundheit nicht mehr so war wie früher, aus dem Berufsleben zurückgezogen und mich in Italien niedergelassen. In diesem Land treffen die englischen Zeitungen nicht immer regelmäßig ein, so daß die Bekanntgabe von Miss Dawsons Tod mir entgangen ist. Daß der Tod so plötzlich und unter doch irgendwie merkwürdigen Umständen eintrat, ist sicherlich interessant.
    Sie sagen ferner, daß Sie gern meine Meinung über Miss Agatha Dawsons Geisteszustand zum Zeitpunkt meiner letzten Begegnung mit ihr wüßten. Sie war vollkommen bei klarem Verstand und geschäftsfähig – soweit sie überhaupt je in der Lage war, Geschäftliches zu erledigen. Sie hatte in keiner Weise die Gabe, sich mit rechtlichen Fragen auseinanderzusetzen, und es war für mich überaus schwierig, ihr begreiflich zu machen, welcher Art die Probleme des neuen Erbrechts seien. Sie war von Kindesbeinen an mit der Vorstellung aufgewachsen, daß Besitz ganz selbstverständlich auf den jeweils nächsten Anverwandten übergehe, und es war ihr unvorstellbar, daß sich an diesem Zustand jemals etwas ändern könnte. Sie versicherte mir, die Gesetze würden es einer Regierung nie erlauben, eine solche Vorschrift zu erlassen. Nachdem ich ihr mit Mühe klargemacht hatte, daß dies durchaus der Fall sei, war sie wiederum vollkommen sicher, kein Gericht werde doch so böse sein und dieses Gesetz dahingehend auslegen, daß ihr Geld an jemand anderen als Miss Whittaker gehe, wo sie doch eindeutig diejenige sei, der es zustehe. ›Wieso soll denn das Herzogtum Lancaster ein Anrecht darauf haben?‹ fragte sie immer wieder. ›Ich kenne doch den Herzog von Lancaster nicht einmal.‹ Sie war nicht eben eine besonders einsichtige Person, und am Ende war ich mir gar nicht sicher, ob ich ihr die Situation überhaupt begreiflich gemacht hatte – ganz abgesehen von dem Widerwillen, den sie gegen das Thema an sich hegte. Dennoch kann kein Zweifel daran bestehen, daß sie zu dem fraglichen Zeitpunkt völlig compos mentis war – bei klarem Verstand. Daß ich sie so sehr drängte, vor ihrer letzten Operation ein Testament zu machen, hatte natürlich den Grund, daß ich fürchtete, sie könne danach vielleicht ihre Verstandeskräfte verlieren oder – was juristisch gesehen dasselbe gewesen wäre – ständig unter dem Einfluß betäubender Drogen stehen müssen.
    Ich hoffe, Ihnen hiermit alle gewünschten Informationen gegeben zu haben, und verbleibe
    mit vorzüglicher Hochachtung Ihr sehr ergebener Thos. Probyn
    Mr. Murbles las diesen Brief zweimal sehr bedächtig durch. Selbst nach seinem vorsichtigen Urteil begann die Angelegenheit sich zu einem Fall auszuweiten. Er setzte in seiner sauberen, altmodischen Handschrift eine kurze Mitteilung an Kriminalinspektor Parker auf und bat ihn, nach Staple Inn zu kommen, sobald es ihm passe.
    Mr. Parker hinwiederum paßte in diesem Augenblick überhaupt nichts. Seit zwei ganzen Tagen lief er nun schon von einem Rechtsanwalt zum anderen, und mittlerweile sank ihm schon das Herz, wenn er nur ein Messingschild von weitem sah. Er besah sich die lange Liste in seiner Hand und zählte mutlos die endlos vielen Namen, die noch nicht abgehakt waren.
    Parker gehörte zu jenen methodischen, ordnungsliebenden Menschen, auf die die Welt so schlecht verzichten kann. Wenn er mit Wimsey zusammen an einem Fall arbeitete, galt es als ausgemacht, daß Parker alles das erledigte, was mit langwieriger, verzwickter, eintöniger und nervtötender Arbeit verbunden war. Manchmal ärgerte er sich richtig über Wimsey, weil er das als so selbstverständlich annahm. So auch jetzt.
    Der Tag war heiß, die

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