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Lord Peter 03 - Keines natürlichen Todes

Lord Peter 03 - Keines natürlichen Todes

Titel: Lord Peter 03 - Keines natürlichen Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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Begründung), und er habe gesehen, daß er eine Londoner Nummer hatte, wenn er auch nicht mit Bestimmtheit sagen könne, wie die Nummer gelautet habe.
    Shelly Head liegt etwa zehn Meilen von Crow’s Beach entfernt an der Küste und ist in Anbetracht der Nähe dieses Seebades ungewöhnlich einsam. Unterhalb der Klippen erstreckt sich ein langer, heller Sandstrand, den nie jemand aufsucht, den kein Haus überblickt. Die Klippen selbst sind kalkweiß und von kurzem Gras bedeckt, das sich in eine weite Dünenlandschaft hinein erstreckt, in der Ginster und Heide wachsen. Dahinter kommt ein Streifen Nadelwald, hinter dem ein schmaler, steiler, zerfahrener Weg schließlich zu der betonierten Schnellstraße von Ramborough nach Ryder’s Head führt. Die Dünen sind kaum besucht, obwohl es zwischen ihnen genügend Wege gibt, die man durchaus mit dem Wagen befahren kann, wenn man seine Bequemlichkeit oder die Federung des Wagens nicht über alles liebt.
    Unter Führung des Pfadfinders holperte das Polizeiauto kläglich über diese unschönen Wege. Nach älteren Wagenspuren suchen zu wollen war hoffnungslos, denn der Kalkstein war trocken und hart, und das Gras- und Ginstergestrüpp hielt keine Spuren fest. Überall waren Vertiefungen und Mulden – alle gleich, und viele von ihnen tief genug, um einen kleinen Wagen zu verstecken, von den Überbleibseln eines Picknicks neueren Datums ganz zu schweigen. Als sie an die Stelle kamen, von der ihr Führer annahm, hier seien sie ungefähr richtig, hielten sie an und stiegen aus. Parker teilte das Gelände zwischen den fünfen auf, und ein jeder machte sich auf die Suche.
    Wimsey lernte an diesem Tage Stechginster hassen. Die Büsche waren so zahlreich und dicht, und jeder konnte ein Zigarettenpäckchen, ein Butterbrotpapier, ein Stückchen Stoff oder sonst einen Anhaltspunkt verbergen. Mißmutig trottete er dahin, den Rücken gebeugt und den Blick am Boden, über eine Erhebung und hinein ins nächste Loch – dann in Kreisen nach rechts und links, sich stets am Polizeiwagen orientierend; und über die nächste Welle und in die nächste Mulde; die nächste Erhebung – Halt. Dort in der Senke war etwas.
    Zuerst sah er es hinter einem Ginsterbusch hervorlugen. Es war von heller Farbe und spitz, etwa wie ein Fuß.
    Er fühlte eine leichte Übelkeit.
    »Da hat sich jemand zum Schlafen hingelegt«, sagte er laut. Dann dachte er: Komisch – immer sind’s die Füße, die sie herausschauen lassen.
    Er stieg zwischen den Büschen hinunter, halb schlitternd auf dem kurzen Gras. Fast wäre er hinuntergekullert. Er fluchte ärgerlich.
    Schon merkwürdig, wie diese Person da schlief. Die vielen Fliegen auf ihrem Kopf mußten sie doch stören.
    Er fand, daß es für Fliegen noch verhältnismäßig früh im Jahr war. In den Zeitungen hatte ein gereimter Aufruf gestanden, etwa so: »Für jede Fliege, die du heute kannst erschlagen, werden dreihundert weniger im September dich plagen.« Oder waren es tausend? Das Metrum stimmte sowieso nicht.
    Er riß sich zusammen und ging weiter. Die Fliegen erhoben sich in einer kleinen Wolke.
    Es muß ein schwerer Schlag gewesen sein, dachte er, daß der Hinterkopf derart zertrümmert ist. Das kurze Haar war blond. Das Gesicht lag zwischen den nackten Armen.
    Er drehte die Leiche auf den Rücken.
    Natürlich konnte er – wollte er – ohne das Foto nicht mit Sicherheit sagen, daß es Vera Findlater war.
    Das Ganze hatte vielleicht dreißig Sekunden gedauert.
    Er kraxelte auf den Rand der Mulde und rief.
    In einiger Entfernung blieb eine schwarze Gestalt stehen und drehte sich um. Er sah das Gesicht als einen weißen Fleck ohne jeden Ausdruck darin. Er rief noch einmal und fuchtelte erklärend mit den Armen durch die Luft. Die Gestalt setzte sich in Bewegung; langsam und schwerfällig schlurfend kam sie durch das Heidekraut angelaufen. Es war der Polizist – er war von schwerer Statur, zum Laufen in dieser Hitze nicht gebaut. Wimsey rief wieder, und der Polizist antwortete. Wimsey sah auch die anderen aus allen Richtungen herannahen. Über einem Muldenrand erschien, mit seinem Stock winkend, die komische Gestalt des Pfadfinders und verschwand wieder. Der Polizist war schon ganz nah. Er hatte seine Melone in den Nacken geschoben, und an seiner Uhrkette blinkte etwas in der Sonne, während er lief. Wimsey lief ihm unwillkürlich entgegen, hörte sich rufen – ihm alles lang und breit erklären. Die Entfernung war noch viel zu groß, um sich verständlich zu

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