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Lord Peter 03 - Keines natürlichen Todes

Lord Peter 03 - Keines natürlichen Todes

Titel: Lord Peter 03 - Keines natürlichen Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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die eine oder andere Art tun wir das doch alle Tage. Richter – Soldaten – Ärzte – sie alle. Trotzdem kommt es mir in diesem Falle irgendwie nicht richtig vor. Aber dann wieder könnte man durch seine Einmischung – durch das Herumstöbern in dem Fall – noch viel größeren Schaden anrichten. Wer weiß, was man damit alles in Gang setzt.«
    »Ich glaube«, sagte Mr. Tredgold, »daß die Sünde – nein, ich will dieses Wort nicht gebrauchen –, daß der Schaden für die Gesellschaft, das Unrecht, mehr in dem Nachteil für den Tötenden selbst liegt als in irgendeinem eventuellen Schaden für den Getöteten. Das gilt natürlich besonders, wenn der Tötende von seiner Tat einen Vorteil hat. Sie erwähnten vorhin eine Konsequenz, die dem Willen des Kranken entsprechen würde – darf ich fragen, ob diese Konsequenz zum Vorteil der anderen Person wäre?«
    »Ja. Genauso ist es. Er – sie – hat den Nutzen davon.«
    »Das stellt die Frage allerdings auf eine ganz andere Ebene als bei einer Beschleunigung des Todes aus Mitleid. Die Sünde liegt in der Absicht, nicht in der Tat. Darin unterscheidet sich göttliches von menschlichem Recht. Es ist schlimm, wenn ein Mensch irgendein Recht zu haben glaubt, über das Leben eines anderen Menschen zu seinem Vorteil zu verfügen. Das verführt ihn dazu, sich als über allen Gesetzen stehend zu betrachten – und nie kann sich die Gesellschaft vor einem Menschen sicher fühlen, der wissentlich und ungestraft gemordet hat. Das ist der Grund – oder vielmehr einer der Gründe –, warum Gott die persönliche Rache verbietet.«
    »Sie meinen, ein Mord führt zum nächsten.«
    »Sehr oft. Auf jeden Fall führt er zu einer erhöhten Bereitschaft, weitere zu begehen.«
    »So war es. Das ist ja mein Kummer. Aber es wäre nicht so gekommen, wenn ich nicht angefangen hätte, in der Sache herumzuwühlen. Hätte ich wohl die Finger davon lassen sollen?«
    »Ich verstehe. Das ist eine schwierige Frage. Schrecklich für Sie. Jetzt fühlen Sie sich verantwortlich.«
    »Ja.«
    »Und Sie selbst haben keine persönliche Rache im Sinn?«
    »Aber nein. Ich habe eigentlich gar nichts damit zu tun. Ich bin in die Sache hineingeschlittert, weil ich jemandem helfen wollte, der dadurch in Schwierigkeiten geraten war, daß er seinerseits einen Verdacht hatte. Und durch meine verdammte Einmischung haben die ganzen Verbrechen wieder von vorn angefangen.«
    »Dann sollten Sie sich nicht zu sehr quälen. Wahrscheinlich wäre der Mörder durch seine eigenen Schuldgefühle und Ängste zu neuen Verbrechen getrieben worden, auch ohne Ihr Eingreifen.«
    »Das stimmt«, sagte Wimsey, der an Mr. Trigg dachte.
    »Ich rate Ihnen, tun Sie, was Sie für das richtige halten, und zwar in Übereinstimmung mit den Gesetzen, die zu respektieren wir erzogen wurden. Alles Weitere überlassen Sie Gott. Und versuchen Sie Nachsicht zu üben, auch mit bösen Menschen. Sie verstehen, was ich meine. Übergeben Sie den Missetäter der Gerechtigkeit, aber vergessen Sie nie dabei, daß auch Sie und ich nicht davonkommen würden, wenn uns allen Recht geschähe.«
    »Ich weiß. Den Mann niederschlagen, aber nicht auf der Leiche tanzen. Ganz recht. Verzeihen Sie die Belästigung, und entschuldigen Sie jetzt bitte meinen eiligen Aufbruch, ich bin nämlich mit einem Freund verabredet. Ich danke Ihnen sehr. Mir ist nicht mehr ganz so elend deswegen zumute. Aber allmählich waren mir doch Bedenken gekommen.«
    Mr. Tredgold sah ihm nach, wie er zwischen den Gräbern davoneilte. »Ach Gott«, sagte er bei sich, »wie nett sie doch eigentlich sind. So freundlich und gewissenhaft, und dann wieder so unsicher, wenn etwas über ihre Schulweisheiten hinausgeht. Und viel empfindsamer und schüchterner, als die Leute glauben. Eine Klasse, an die man schwer herankommt. Morgen sollte ich in der Messe eigens seiner gedenken«.
    Und als praktisch denkender Mensch macht Mr. Tredgold sich sogleich einen Knoten ins Taschentuch, der ihn an diesen frommen Entschluß erinnern sollte.
    »Dieses Problem – eingreifen oder nicht – Gottes Gesetz oder des Kaisers. Polizisten – nein, für die ist das kein Problem. Aber für gewöhnliche Sterbliche – wie schwierig, die eigenen Motive zu ergründen! Was mag ihn nur hierhergeführt haben? Könnte es am Ende – nein!« sagte der Vikar schnell, bevor er weiterdenken konnte. »Ich habe kein Recht, Mutmaßungen anzustellen.« Er zog noch einmal sein Taschentuch heraus und machte einen zweiten Knoten

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