Lord Schmetterhemd im wilden Westen
verstand. »Geh nur«, sagte er, »die Toilette ist unten .«
Und
Mrs. Coolwater schob sich am Treppengeländer entlang hinab zur kleinen Tür, sie
machte sie auf: doch da stand sie dem Herrn im weißen Bettlaken gegenüber,
höchst undeutlich war er im matten, von ihm weit entfernten Licht meiner Kerze
zu erkennen, wie er da mit hochgezogenen Hinterläufen auf der Kloschüssel
hockte. »Besetzt !« schrie er in hellem Entsetzen,
erwartete er doch den Großen Koyoten... Und wie zu seinem Schutze, um seinen
Feind nur ja nicht zu hören, betätigte er die Wasserspülung. Sie rauschte laut.
»Huch !« machte da Mrs. Coolwater und sank zusammen.
Ich
stellte die Kerze neben mich auf den Boden, auf die Türschwelle des
Kaminzimmers. Sie stand nun sehr tief. Ich mußte aber beide Hände frei haben,
um Mrs. Coolwater aufzuhelfen. Doch bedachte ich nicht, daß nun mein Schatten
wie der eines Riesen genauso durchs Treppenhaus wanderte, wie vordem der des
Großen Koyoten.
Mr.
Coolwater aber sah den dunklen Schemen über die Decken huschen. Er hörte mich
unten gehen, er mußte vermuten, daß sich wieder ein Unhold näherte, daß das
Spiel von neuem begann. Erregt wie er war, blind vor Wut, legte er auf mich an,
ohne mich zu erkennen. »Ich habe gewarnt !« schrie er,
und zugleich bellte der Schuß durchs Treppenhaus.
Ich
fühlte den Schlag an der Brust. Ich dachte noch: jetzt ist es aus! Ich dachte,
wie töricht von mir, daß ich nicht das Schmetterhemd angezogen hatte, und ich
dachte: gleich werde ich mit all meinen Ahnen im Jenseits versammelt sein.
Doch
wunderbarerweise verließen mich nicht die Kräfte. Wohl blieb ich stehen, wenige
Stufen von Mrs. Coolwater entfernt. Sie blickte mich an, als habe sie mich erst
jetzt gesehen... aber mit was für Augen! Nie werde ich diese Augen vergessen.
Sie waren groß, dunkel, weit aufgerissen, und in ihnen glühte das blanke
Entsetzen.
Ich
wollte mich ihr erklären, zu erkennen geben... gleichzeitig erwartete ich, daß
ich jeden Augenblick wie ein gefällter Baum zu Boden stürzte... da gellte ihr
Schrei! Es war der fürchterlichste Schrei, den ich jemals gehört habe.
Und
auch Mr. Coolwater schrie, schrie gellend und gurgelnd, wie ich es nun wirklich
nicht von ihm erwartet hatte. Wenn er mich auch erschossen hatte, war dies denn
ein Grund, so zu schreien? Was war an mir so sonderbar... Ich blickte an mir
hinab, erwartete eine Blutlache zu sehen... und sah mein eigenes Skelett, mein
Gerippe. Weiß und gespenstisch stand ich da als Knochenmann.
Ich
gestehe, daß mir vor mir selber grauste. Und wenn ich auch bald, nachdem ich
das erste Erstaunen überwunden hatte, an die verzauberten Patronen dachte und
an Cookie Potts Verwandlung, so fand ich es doch unmöglich, dies Coolwaters zu
erklären. Es blieb nur eines: ich mußte sie von meinem schrecklichen Anblick
befreien.
Daher
drehte ich mich um und eilte ins Kaminzimmer.
Aber
auch Mr. Coolwater war mit seinen Nerven am Ende. Diese Wirkung seines Schusses
brachte ihn um seinen Verstand. Er hetzte die Treppe hinab, faßte im
Vorbeigehen seine Lady an der Hand, riß sie empor — und verließ mit ihr
fluchtartig das Haus.
Ich
hörte sie beide keuchen, hinabfliegen, ich hörte sie in die
Kutsche
springen, ich hörte ihn mit der Peitsche knallen, und ich dachte noch, wie klug
vorausschauend es von Cookie Pott gewesen war, Coolwaters Wagen nicht in den
Schuppen gerollt, sondern mit angeschirrtem Pferd fahrbereit vor die Tür
gestellt zu haben.
Die
Hufe klapperten, die Räder rollten.
Dann
war es ruhig, so ruhig in Bloodywood-Castle. Und mich überkam eine unendliche
Müdigkeit: Eine Wirkung der verzauberten Patrone? — Wer mochte sie vertauscht
haben? Wer hatte gerade diese Patrone in Mr. Coolwaters Pistole gesteckt? Wer
auch immer, er hatte mir das Leben gerettet.
Im
Lehnstuhl schlummerte ich ein.
Ich nehme die Fliegende Wolke in Besitz
So
war mir aber nicht nur das Leben, so war mir auch Bloodywood-Castle gerettet
worden. Ich zweifelte nicht daran, daß Mr. Coolwater den Verlust der Wette
zugeben würde. Ich hatte also das Schiff gewonnen, und unserer Abreise in den
Wilden Westen standen kaum noch Hindernisse im Weg.
Zuvor
freilich mußte ich mich zu Mr. Coolwater bemühen. Er würde mir den Dampfer wohl
kaum von alleine auf einem silbernen Tablett zum Frühstück ans Bett servieren —
Zeit und Ort der Übergabe mußten mit ihm verabredet werden.
Am Sonnabend abend war das Ehepaar bei mir eingetroffen,
am Sonntag im
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