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Lord Schmetterhemd im wilden Westen

Lord Schmetterhemd im wilden Westen

Titel: Lord Schmetterhemd im wilden Westen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Kruse
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diesmal jedoch in Richtung auf die
Tür. Er schob sich über die Schwelle und tappte — das war deutlich zu hören! —
tappte leise und langsam die Treppe hinab.
    Ich
riß die Zündhölzer vom Tisch und zündete rasch die Kerzen an. Nichts war im
Zimmer zu sehen, außer den Scherben der Kompottschüssel, den Pfützen und dem
offenen Fenster. Mr. Coolwater wischte sich den Schweiß aus dem Nacken. Es
hätte wohl nicht viel gefehlt, und er wäre mir an die Gurgel gesprungen.
Endlich besann er sich auf seine Pflicht als fairer Sportsmann: »Das war ein
dummer Scherz — und ein übler Trick, Mylord«, brachte er heraus. »Aber ich habe
mich einmal auf diese Wette eingelassen und nicht die Bedingung gestellt, daß
Sie solchen faulen Zauber unterlassen. Trotzdem werden Sie verstehen, daß ich meine
Gattin vor derartigen Erlebnissen schützen muß. Wir verzichten daher auf Ihre
Gesellschaft, Mylord, wir verzichten auf den Nachtisch. Wir ziehen uns in das
Gastzimmer zurück. Seien Sie versichert, daß ich Türen und Fenster fest
schließen werde. Und sagen Sie ihren Helfershelfern, daß ich rücksichtslos auf
jeden schieße, der bei uns eindringt. Denn daß das Schießen verboten ist, haben
Sie versäumt, mit mir zu vereinbaren, Mylord !«
    Er
faßte seine Lady an der Hand, hörte nicht auf meine Versicherungen, daß ich
genauso erschreckt sei wir er, und stapfte mit ihr aus
dem Speisezimmer.
    Ich
folgte den beiden nicht, hörte aber, wie sie die Treppe hinaufschritten, wie
Lady Coolwater heftig atmete, wie sie die Tür des Gastzimmers öffneten und wie schließlich
der Schlüssel herumgedreht wurde. Mr. Coolwater drehte ihn nicht nur einmal
herum, sondern zwei-, dreimal. Er schob außerdem noch den Riegel vor, und
danach hörte ich ihn genau so am Fenster werken, das er mit aller Kunst eines
Schiffsbauers verrammelte. Er unterließ es auch nicht, alle Schranktüren zu
öffnen und unter den Betten nach ungebetenen Gästen zu suchen.
    Natürlich
ohne Erfolg.
    Ich
muß zugeben, daß ich nicht Zeuge all dessen war, was sich in dieser Nacht
abspielte. Aber aus allem, was mir später berichtet wurde und was ich zum Teil
hörend oder sehend miterlebte, gewann ich ein recht klares Bild, so daß ich mir
wohl erlauben darf, die Ereignisse so zu schildern, als sei ich dabeigewesen.
    Ich
ging selbstverständlich nicht ins Bett, wohl wissend, daß ich dort keine Ruhe
finden würde, sondern blieb, auf alles gefaßt, angekleidet im Kaminzimmer
sitzen. Auch Coolwaters zogen sich nicht aus, sie legten sich in voller
Kleidung so auf die Betten, daß sie jederzeit aufspringen konnten, um den Eindringlingen
an die Gurgel zu fahren.
    Es
blieb jedoch sehr lange ruhig. Nichts bewegte sich im Haus, ja, es war, als
hielten sogar die Balken den Atem an und wagten nicht zu knacken. Nur die Uhren
tickten hörbar. Waren meine Vorfahren so erschrocken über ihre eigene
Darbietung und deren Erfolg? Hatten sie jede weitere Unternehmung aufgegeben?
Nein — sie gönnten Coolwaters nur eine Pause wohlberechneter Ruhe. In dieser
Zeit brannten die Kerzen im Gästezimmer nieder, verschwanden die Zündhölzer auf
geheimnisvolle, lautlose Weise, schlummerten Mr. und Mrs. Coolwater endlich
ein, nachdem sie sich, zaghaft zu hoffen beginnend, die Decken unters Kinn
gezogen hatten.
    Irgendwann
schreckte Mr. Coolwater dann auf. Er war sofort hellwach. Langsam, ganz langsam
wurde die Decke vom Bett herabgezogen. Die Kerze war erloschen. Es war
stockdunkel. Mr. Coolwater fluchte und griff nach der rutschenden Bedeckung —
mit einem Schrei fuhr er empor. Er griff in die knochigen Finger einer
Totenhand. Sie schien zu niemandem zu gehören, sie lag lose in der seinen — er
schleuderte sie von sich. Mr. Coolwater wollte aus dem Bett springen, doch ein
mit Krallen bewehrter, pflaumweicher Körper hielt ihn fest und drohte ihn zu
ersticken.
    Mrs.
Coolwater war durch das Getöse ebenfalls erwacht. Mit angstvoll aufgerissenen
Augen starrte sie ins Dunkel. Sie hörte ihren Gatten ächzen und griff neben
sich, dorthin, wo sie seinen Kopf vermutete. Sie faßte jedoch in Vogelfedern,
und da sie dies nicht erwartet hatte, setzte ihr Herzschlag aus, und sie begann
zu gurgeln.
    Da
fragte jemand sehr freundlich: »Wasser, Mylady ?«
    Sie
rollte die Augen dorthin, wo die Stimme herkam, und glaubte im ungewissen Licht
einen nicht sehr großen Herrn zu erblicken, der sich nach Art eines Römers ein
Bettlaken umgewickelt hatte. Dieser Edelmann bot ihr ein Glas auf einem
silbernen

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