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Lord Schmetterhemd im wilden Westen

Lord Schmetterhemd im wilden Westen

Titel: Lord Schmetterhemd im wilden Westen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Kruse
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eine Seltenheit. Als wir nun nach unserer letzten Probefahrt wieder die
Mole ansteuerten und die bunten Häuser der kleinen Stadt Seabridge in der
Abendsonne leuchteten, als ich schon von ferne durch das Rattern und Schnaufen
der Dampfmaschine das Gerede der Leute zu vernehmen meinte, nahm ich Cookie
Pott am Arm und sagte zu ihm: »Cookie, wenn wir mit unseren Gästen, mit meinen
sonderbaren Vorfahren, in See stechen wollen, wird die ganze Stadt von der Oma
bis zum Wickelkind auf den Beinen sein. Sie werden Tante Turkie und Onkel Rab
und Onkel Berni anglotzen und ihre Witze über sie und mich machen. Und ich weiß
nicht, wie die drei darauf reagieren werden. Vielleicht fangen sie selber an zu
schimpfen, dann gibt ein Wort das andere — wie soll ich alles erklären? Ich
kann mich später nie mehr in Seabridge sehen lassen. Ich meine, wir schleichen
uns am besten im Dunkel der Nacht heimlich davon .«
    Wir
trieben ohne Kraft in den Hafen, und ich führte das Steuer, Cookie stellte sich
breitbeinig neben mich an die Reeling und spuckte wie ein altgedienter Seemann
einen Sprühregen Kautabak über Bord: »Ich schleiche mich nicht gern im Dunkeln
davon, Mylord. Aber ich kann nicht leugnen, daß es diesmal besser ist. Es sind
ja außergewöhnliche Umstände, »Begleit«-umstände gewissermaßen, insofern als
wir außergewohnliche Begleiter haben. Und ich könnte es niemandem übelnehmen,
wenn er sich das Maul über sie zerreißt...« Wir planten also die Abfahrt für
die nächste Nacht: Mitternacht. Und wir versprachen uns in die Hand, niemandem
davon zu erzählen. Nur eine Ausnahme gab es, einen Menschen, auf dessen
Verschwiegenheit ich mich unbedingt verlassen konnte. Das war der alte Samuel
Pinch, der Altwarenhändler aus dem Kellergewölbe, dem ich die alte Landkarte
und so viele andere Hinweise aus dem Wilden Westen verdankte, so viele Objekte
für meine Sammlung.
    Ihm
wollte ich den Hausschlüssel von Bloodywood-Castle anvertrauen, er mußte auch
die Kutsche und die Stute Suleika in den Stall zurückbringen und für sie
sorgen, nachdem wir abgedampft waren.
    In
der Nacht der Abfahrt verstaute Cookie Pott meine Reisetasche und die Kiste mit
der Fotoausrüstung in der Kutsche.
    Cookie
verschloß die Fensterläden und Türen. Onkel Berni, Tante Turkie und Onkel Rab
kletterten auf den Sitz. Das Kutschendach war geschlossen. Wir zogen auch die
Vorhänge zu. Wir rollten aus dem Hof, und Cookie verschloß das Hoftor hinter
uns. Dann ging es über den Feldweg durch die Heide nach Seabridge.
    Heute
war der Mond nur halb zu sehen. Und manchmal heulte der Wind. Die verkrüppelten
Weidenbäume sahen aus wie Gespenster, die mit weitausholenden Armen nach uns
griffen. Uns allen aber war wohl in der Kutsche. Onkel Berni sogar war so
aufgekratzt, wie ich ihn selten erlebt habe. Er war es, der als erster das
Prärie-Lied anstimmte, und wir anderen fielen nach und nach ein, selbst Cookie
auf dem Kutschbock:
     
    »Reitet
ein Reiter übers Land
    Kühn
der Blick und stark die Hand,
    Reitet
dahin von Ost nach West,
    Ist
ein Vogel ohne Nest.
    Nirgends
Heimat, nirgends Ruh,
    Hüh,
mein Pferd... blamblamblu,
    reitet
dahin von West nach Ost
    und
erwartet nirgends Post .«
     
    »Hoffentlich
fällt mir anstatt blamblamblu noch der richtige Reim ein, ehe wir in den Wilden
Westen kommen«, sagte Onkel Rab.
    Bevor
wir Seabridge erreichten, schwiegen wir alle, aber auf meinen Wunsch. Cookie
zügelte Suleika, und wir rollten leise durch die Straßen. Da eine Kutsche in
der Nacht nichts ganz Ungewöhnliches war, erregten wir auch weiter kein
Aufsehen. Die meisten Bürger waren bereits schlafen gegangen. Nur hinter
wenigen Fenstern brannten noch Kerzen.
    Am
Hafen wartete Samuel Pinch auf uns. Klein und verhutzelt tauchte er aus dem
Dunkel auf. Ich hatte ihm zwar berichtet, daß ich in Begleitung in den Wilden
Westen fahren würde, er konnte aber doch einen Ausruf des Erstaunens nicht
unterdrücken, als er ein fast mannsgroßes Kaninchen mit Hut, einen noch größeren
Bernhardiner mit Pfeife und eine Truthenne aus der Kutsche steigen und eilig im
Schiff verschwinden sah. »Kein Wort, bitte, Mr. Pinch, ich hoffe es Ihnen ein
andermal erklären zu können .«
    »Nicht
nötig, Mylord«, flüsterte er. »Es gibt nichts, worüber sich Samuel Pinch noch
wundert .«

    Unter
Deck erhob sich sogleich ein Lärmen und Zanken. Meine Vorfahren konnten sich
wohl nicht über die Verteilung der Plätze einigen. Cookie Pott eilte hinab, um
Frieden zu stiften.

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