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Lord Schmetterhemd im wilden Westen

Lord Schmetterhemd im wilden Westen

Titel: Lord Schmetterhemd im wilden Westen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Kruse
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der Erscheinung steckte? Cookie jedoch war in der Küche,
um den Nachtisch zu bereiten, und jetzt eilte er mit der Kompottschüssel ins
Speisezimmer. Den Sarg erblicken — und die Kompottschüssel fallen lassen war
eine ebenso gleichzeitige wie natürliche Reaktion. Bewies sie doch, daß auch er
von der Erscheinung überrascht worden war.
    Die
klebrigen Früchte kollerten über den Teppich, und die süße Soße bildete
Pfützen.
    Plötzlich
erloschen nun sämtliche Kerzen auf dem Tisch, bis auf eine einzige. Der blaue
Rauch stieg senkrecht, leicht gekräuselt in die Höhe. Es war jetzt ziemlich dunkel
im Zimmer, um so magischer wirkte die Erscheinung.
    »Es
fehlt nur noch, daß der Sarg etwas sagt !« knurrte Mr.
Coolwater. Ich fand ihn mutig, da der Spuk doch auch ihn sichtlich
beeindruckte.
    Der
Sarg tat ihm wie auf Geheiß den Gefallen. Aus seinem geschlossenen Hohlraum
tönte es dumpf, sehr dumpf: »Sieh hier deine letzte Wohnung !« Die dunkle, ein wenig rauchige Stimme kam mir bekannt vor.
    Mrs.
Coolwater sank entkräftet auf den Stuhl und verbarg ihre weiße Nasenspitze in
der zerknüllten Serviette.
    »Zum
Teufel mit dir !« schrie Mr. Coolwater den Sarg an und
schleuderte seinen Teller nach ihm. Das Porzellan zersprang, die Scherben
spritzten über den Teppich. Fast gleichzeitig öffneten sich die Fensterflügel,
als habe sie eine mächtige Hand von außen aufgestoßen. In diesem Windstoß ging
nun auch die noch brennende, letzte Kerze aus.
    »Huch !« seufzte Mrs. Coolwater matt.

Meine Gäste haben eine unruhige Nacht
     
    Es
war aber — wie erinnerlich — in den letzten Tagen Vollmond gewesen. Und er war auch
heute noch fast rund. Er leuchtete durch eine dichte Wolkendecke. In seinem
bleichen Licht erschienen alle Gegenstände geisterhaft. In der Stube war es
natürlich dunkler als draußen. Das Fenster wirkte wie ein blaßgraues Viereck —
eine große, matte Laterne. Doch nur für einen Augenblick. Denn eine bizarre
Gestalt, ein Gnom, ein fliegender Kobold — oder wie immer man es nennen will —
kam aus der Nacht, rauschte aufs Fensterbrett und füllte die Öffnung fast ganz
mit Schwärze.
    »Nun
reicht es aber, Mylord !« stammelte Mr. Coolwater. Mit
einem Rest von Selbstbeherrschung flüsterte er: »Mir können Sie nichts
vormachen. Lange Leitern, die hier heraufreichen, gibt es überall .«
    So
weit war vielleicht die Erscheinung am Fenster wirklich noch erklärbar: ein
verkleideter Mensch, eine lange Leiter... Aber die Erscheinung, ein Mönch oder
eine Nonne, erhob sich nun in die Luft, vielmehr: sie flatterte in unsere
Stube, strich unter der Decke entlang, immer noch riesengroß und schwarz. Sie
wirkte jetzt wie eine schwarze Wolke aus Schleiern, es wehte dünn und
spinnwebartig von ihr herab, und die Gewebe, die Fäden streiften unsere
Gesichter. Sogar mir ging ein feiner Schauer über den Rücken. Und Mrs.
Coolwater sträubten sich gewiß die Haare. Das alles geschah fast lautlos, in
völligem Schweigen. Auch wir äußerten nichts. Nur das gepreßte Atmen, das leise
Röcheln der beiden Coolwaters war zu hören. Cookie Pott benutzte einen
günstigen Moment, sich in die Küche zu flüchten.
    Der
Sarg hörte auf, sich zu bewegen, als die schwarz verschleierte Gestalt
erschien. Er verharrte dicht vor Mrs. Coolwater. Dreimal umkreiste das
Schleiergespenst den Kronleuchter, dreimal strichen die spinnwebfeinen Fäden
über unsere Wangen.

    Und
ich kann versichern, sie waren genauso ekelerregend, wie es ein Gewirr echter
Spinnwebfäden ist, in das man unversehens verstrickt wird. Endlich ließ sich
das Fluggespenst auf dem Sarg nieder, auf seinem Kopfende.
    Wir
sahen gebannt dorthin.
    Das
Fluggespenst klopfte dreimal gegen das Holz. Dumpf tönte es durch den Raum.
Dann sprach das Gespenst mit einer halb krähenden, halb krächzenden Stimme:
»Leichnam im Sarg, sage mir, wie du heißt ?«
    »Cool-wa-ter...«,
kam die geisterhafte Antwort.
    »Und
warum liegst du dort drinnen ?« fragte das
Fluggespenst. »Weil ich meine Hand nach Bloodywood-Castle ausgestreckt habe !«
    »So
ist deine Strafe verdient«, kollerte das Fluggespenst, reckte sich, spreizte
die Flügel gefährlich weit, Flügel von denen Fäden, Netze und Schleier
herabhingen, stieß einen hohlklingenden Schrei aus, befahl dem Sarg:
»Verschwinde in die ewige Dunkelheit des Grabes!«, war sogleich wieder in der
Luft, streifte uns kalt und schauerlich — und entschwand aus dem Fenster.
    Darauf
setzte sich der Sarg wieder in Bewegung,

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