Lord Schmetterhemd im wilden Westen
Tablett dar, doch neben dem Glas stand ein Totenschädel. Und eine
Flasche, die deutlich, nämlich fluoreszierend, also mit schimmernden
Buchstaben, die Aufschrift Gift trug.
Mr.
Coolwater besaß die Geistesgegenwart, dem Herrn im Bettlaken das Tablett aus
der Hand zu schlagen. Der Herr mit dem hasenartigen Gesicht zog höflich seinen
Strohhut von den Löffelohren und verbeugte sich.
Dann
verschwand er.
Wir
bekommen unerwünschten Besuch und ich werde erschossen
In
Mr. Coolwater reifte der heldenhafte Entschluß, der Gaunerkomödie — für die er
den Spuk hielt — ein für alle Mal und koste es, was es wolle, ein Ende zu
bereiten. Da ihn das Federvieh, vermutlich abgelenkt durch die Erscheinung des
Herrn im Bettlaken, gerade ein wenig aus den Fängen ließ, sah er eine
Möglichkeit hierzu. Er hechtete aus dem Bett. Seine Füße berührten den
Fußboden. Er angelte nach der Pistole auf dem Nachttisch, tappte mit der Hand
herum, bekam sie zu fassen, machte einen Schritt zur Tür, stolperte über einen
sackartigen Gegenstand, der seines Wissens zuvor noch nicht hier gelegen hatte.
Und er schlug hin. Der Gegenstand bewies, daß er kein Leichnam war, er legte
Mr. Coolwater einen pelzigen Arm auf die Brust, knochig und pelzig... es war
der Arm eines verhungerten Untiers, eines Scheusals aus der Unterwelt, ganz
gewiß. Der Arm lag wie eine Klammer auf Mr. Coolwaters Brustkorb, er rutschte
langsam zum Hals empor, drückte auf den Adamsapfel, und Mr. Coolwater fühlte
sich nicht nur eingeschnürt, sondern auch in der Gefahr, zu ersticken. Heißer
Höllenatem fuhr über sein Gesicht. Gleich biß das Tier zu...
Doch
nun wieder war auf der Treppe ein Geräusch zu vernehmen — und der Herr im
Bettlaken hörte es mit scharfen Hasenohren, er riß — gar nicht mehr gelassen —
nervös die Tür auf, die mehrfach sorgfältig verschlossen und verriegelte Tür...
Auch
ich, ein Stockwerk tiefer, lugte aus dem Kaminzimmer. Es hielt mich nicht
länger, einen Leuchter hatte ich entzündet und hielt ihn ins Stiegenhaus. In
seinem Schein sahen wir den Großen Koyoten langsam die Stufen hinaufschleichen,
geduckt und leise, aber die Balken knackten, und sein Atem ging rauh. Das matte
Licht traf ihn von unten, sein Schatten wurde so ins Überwirkliche vergrößert
an die Wand geworfen... gewaltig und gespenstisch zuckte er unter den Bildern
meiner Ahnen dahin.
»Kerze
aus !« gellte ein Schrei von oben. Ich erkannte die
Stimme meines lieben Onkels Rab. Und fast gleichzeitig fegten seine trommelnden
Hasenpfoten hinab, die halbe Treppe, bis dorthin, wo sich das geheime Örtchen
befand. Er öffnete blitzschnell die Tür, er huschte hinein, er verriegelte die
Tür. »Feigling«, knurrte der Große Koyote, der mit der Schnauze durch den
Schlitz an der Schwelle schnüffelte.
Das
alles war im Gästezimmer nicht unbemerkt geblieben. Der sackartige Gegenstand
sauste hinaus in den Flur, dem Eindringling entgegen. Und schon flogen diesem
Porzellanschalen, Aschenbecher, Kerzenhalter und andere Gegenstände um den
Kopf. Alles, was dort oben nicht angenagelt war, verwandelte sich in
Wurfgeschosse. Und eine Knurrstimme brummte verärgert: »Der Kerl hat uns gerade
noch gefehlt !« Der Große Koyote blieb stehen. Er war
entdeckt! Schon stieß ein schwerer Vogelkörper im Sturzflug auf ihn herab... da
drehte er sich um und flüchtete in die Halle und durch die Halle ins Freie.
Der
Vogel und der Hund setzten sich auf seine Fährte. Es stob, wirbelte, polterte,
krachte die Treppe runter, es kollerte und knurrte durch das Haus, hinaus in
den Hof.
Da
wurde es still um uns Zurückgebliebene.
Mr.
Coolwater erhob sich. Er fühlte sich als Sieger. Der Feind war abgeschlagen,
aus welchen Gründen auch immer. Und ich entschloß mich, meinen Vorfahren eine
Fortsetzung des unguten Spieles zu verbieten, mochte ich auch verloren haben.
Jetzt
trat Mr. Coolwater oben ans Geländer. Er drohte: »Ich warne jeden, mir nahe zu
kommen! Ich schieße sofort! Ich schieße ohne Warnung !«
Der
Hahn seiner Pistole knackte.
»Bitte
nicht !« flehte Mrs. Coolwaters Stimme von hinten.
Bleich wankte sie aus dem Gästezimmer, eine erbarmungswürdige Erscheinung. »Wie
gut, daß alles vorbei ist !« hauchte sie.
»Sei
ganz ruhig !« tröstete er sie großspurig.
»Ja...«
wisperte sie. Und sagte dann leise: »Ich muß mal !« Es
war mir nur zu verständlich, daß sie dieses Bedürfnis plagte, ist es doch oft
eine Folge von Angst und Schrecken.
Auch
Mr. Coolwater
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