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Lord Schmetterhemd im wilden Westen

Lord Schmetterhemd im wilden Westen

Titel: Lord Schmetterhemd im wilden Westen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Kruse
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viel mehr verstand, als manchmal die Worte »Not« und »Tod«.
    Ich
widmete meine ganze Aufmerksamkeit der Einfahrt in das Mündungsgebiet des
großen Stromes, weil ich es auf die fotografische Platte bannen wollte. Daher
war ich ausschließlich mit meinem Apparat beschäftigt, und als ich unter dem
schwarzen Tuch wieder hervorkroch, zogen rechts und links des Schiffes bereits
mit dichtem Buschwerk bewachsene Uferstreifen und Wälder vorüber. Der Atlantische
Ozean lag hinter uns.
    Auf
den ersten Blick deutete nichts auf den neuen Erdteil hin. Nirgends ein Schild
mit der Aufschrift »Amerika«. Nirgends eines, auf dem stand »Warnung vor
Indianern«. Nur die vollkommene Einsamkeit der Natur, das völlige Fehlen freundlicher
Städtchen und Dörfer zeigte, daß wir in ein fremdes, vielleicht sogar
gefährliches Gebiet einfuhren.
    Übrigens
erblickte ich auch den Großen Koyoten nicht. Doch machte ich mir über diesen
Feind meines Onkels Rab sowieso keine besonderen Gedanken. Mochte sich nun
Tante Turkie einen Scherz erlaubt haben, um Rab zu erschrecken, oder folgte der
Große Koyote uns wirklich ungesehen im dichten Unterholz — ich verschwendete
keinen meiner Gedanken an ihn.

Bitte um Hilfe
     
    Wie
ein Flußufer aussieht, weiß jeder. Auch Wälder, Bäume und Büsche sind
hinreichend bekannt. Ich will meine geneigten Leser daher nicht mit blumigen
Schilderungen der Landschaft aufhalten. Landschaftsbeschreibungen sind meistens
langweilig, ich habe stets darüber hinweggelesen.
    Wie
sein Name sagt, ist der Große Strom sehr breit und ungeheuer lang. Wir dampften
daher mehrere Tage aufwärts, ohne daß sich etwas Bemerkenswertes ereignete oder
daß wir auch nur eine Menschennase erblickt hätten. So eine Flußfahrt erscheint
mir ziemlich eintönig. Grüne Ufer zogen endlos vorüber. Die Fliegende Wolke
zitterte gleichmäßig — die Dampfmaschine ratterte, und die Schaufelräder
padderten.
    Onkel
Berni überließ mir von Zeit zu Zeit das Steuerruder. Er lehnte dann am Geländer
und schnüffelte in die Landschaft hinein: »Ein sonderbares Erlebnis ist es, als
Hund noch einmal auf die Welt zu kommen. Ich entdecke jetzt soviel mehr durch
die Nase als früher. Diese Gerüche... Amerika riecht ganz anders als
Schottland. In Schottland duften das Moor, der Sumpf, die Feuchtigkeit...
hier...«
    »Nun?«
    »Thymian...
Rauch — es riecht hier alles reichhaltiger, wilder, verstehst du mich ?«
    »Ich
denke«, antwortete ich, fühlte mich aber von diesen Nasen-Erlebnissen ganz
ausgeschlossen. Befanden wir uns wirklich schon im Wilden Westen? Wie
friedlich, wie still erschien mir alles.
    Eines
Tages gelangten wir an eine Biegung des Flusses. Hier ragte eine Art Halbinsel
ins Wasser, die wir umschiffen mußten. Onkel Berni führte das etwas schwierige
Manöver selber aus, während ich mich mit Tante Turkie und Onkel Rab vorne
aufhielt. Nach jeder Windung erwartet man ja, etwas ganz Neues zu erblicken.
    Da
rief Onkel Rab plötzlich: »Was für ein nettes Mädchen !« Blitzschnell hatte er seinen Strohhut von den Kaninchenohren gerissen und
schwenkte ihn. »Juju! Juju!«
    »So
ein Leichtsinn«, tadelte ihn Tante Turkie. »Wo hier alles nur so von Feinden
und Revolverhelden wimmelt. Kaum sieht Rab ein Mädchen, findet er es bildschön
und vergißt jede Vorsicht .«

    Ich
mußte ihr zwar recht geben, genauso aber auch Onkel Rab: »Es ist ein hübsches
Mädchen !«
    »Und
den knotigen Menschen bemerkt ihr gar nicht ?«
    Der
Mann, den Tante Turkie >knotig< nannte, war freilich nicht zu übersehen.
Er wirkte, als sei er aus einer Baumwurzel geschnitzt. Er und das Mädchen
winkten mit Halstuch und Hut. »Halloooo... halloooo...« riefen sie. »Bitte
helfen Sie uns... hören Sie! Hilfe!«
    »Das
könnte eine Falle sein !« kollerte Tante Turkie. Sie
beäugte die beiden scharf durch ihre Brillengläser.
    »Sie
scheinen sich in einer Notlage zu befinden, und das allein entscheidet .«
    Ich
bat Cookie Pott durch’s Sprechrohr, die Maschine zu stoppen.
    Mit
mäßiger Fahrt trieben wir noch ein Stück flußaufwärts. Der Mann und das Mädchen
am Ufer, fast verborgen im hüfthohen Gras, waren umgeben von zahlreichen Kisten
und Kasten. Außerdem lag ein länglicher Gegenstand, eine Art Teppichrolle,
neben ihnen.
    »Was
kann ich für Sie tun ?« rief ich hinüber.
    »Gott
segne Sie, Mister«, antwortete der Mann. »Wenn Sie nicht gekommen wären, würden
wir hier verhungern und verdursten. Und dieser hier...« er deutete auf die
Teppichrolle,

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