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Lord Schmetterhemd im wilden Westen

Lord Schmetterhemd im wilden Westen

Titel: Lord Schmetterhemd im wilden Westen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Kruse
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»... dieser hier braucht dringend einen Arzt .«
    »Anlegen !« sagte ich, ohne längeres Überlegen. Und da Onkel Berni
einverstanden war, drehte er bei und steuerte geschickt ans Ufer. Wir warfen
die Taue an Land. Der knotige Mann wickelte ihre Enden um Baumstämme.
Vorsichtshalber lud ich mein Schirmgewehr, entsicherte es und hielt es im
Anschlag.
    Cookie
Pott kletterte aus dem Maschinenraum. Rußverschmiert wie er war, glich er wohl
einem der unglücklichen Neger, die damals in dieser Gegend noch sehr wenig
Vertrauen genossen. Onkel Berni gesellte sich zu uns. Ich konnte mir unschwer
vorstellen, daß die zwei Menschen wirklich in Not waren — denn anders hätten
sie vor dem Bild, das wir ihnen boten, wohl blitzschnell Reißaus genommen. Wie
ich auf fremde Menschen wirke, will ich nicht beurteilen, doch der
teufelsschwarze Cookie, dazu ein rauchender Bernhardiner, ein seinen Strohhut
schwenkendes Kaninchen und eine durch ihre Brille blickende Truthenne müßten
jeden vernünftigen Menschen verwundern.
    Das
reizende Mädchen aber blickte uns nur dankbar an. Entbehrung und Erschöpfung
standen ihr im Gesicht geschrieben. Und der knotige Mann lächelte sogar. »Gott
segne Sie, Mister«, sagte er noch einmal. Er versuchte mir die Hand zu reichen.
Ich beugte mich weit übers Geländer, um sie zu schütteln. Er ließ seine Augen
über meine Begleiter wandern und sagte dann: »Ich bin auch vom Zirkus!
Zirkus-Joe 16 nennt man mich. Und dieses
Mädchen ist Little-Byrd! 17 Ein hübscher
Name, nicht? — Kleiner Vogel. Vögelchen. Und ein Vögelchen ist sie, eine
Seiltänzerin, wie es keine zweite gibt. Man kennt uns überall im Wilden Westen,
möchte ich behaupten. Die Attraktion der Attraktionen. Doch davon ein andermal.
Wir befinden uns in einer verzweifelten Lage. Können Sie uns mitnehmen in die
nächste Stadt ?«
    »Was
ist geschehen«, fragte ich, während Cookie den Landungssteg über Bord schob.
Wir gingen alle hinüber und hatten endlich den Boden Amerikas unter unseren
Füßen.
    Ich
schüttelte Zirkus-Joe und Little-Byrd noch einmal herzlich die Hände. Natürlich
bot ich ihnen jede Hilfe an. »Dachte ich’s doch«, sagte Zirkus-Joe erfreut.
»Die Sache ist nur die...« er deutete auf die Teppichrolle.
    Tante
Turkie bewegte sich ruckend auf sie zu und lüftete eine Ecke der Decke mit
ihrem Schnabel. »Eine Rothaut ?« krakeelte sie. Rasch
ließ sie die Decke wieder fallen.
    »Ja,
es ist ein Indianer, und kein gewöhnlicher, schätze ich«, bestätigte
Zirkus-Joe. »Ich hab’n Blick dafür, müssen Sie wissen. Ein feiner Kerl ist das,
glaube ich, und er ist schwer verwundet. Schätze, wenn ihm nicht schnell
geholfen wird, kratzt er ab in die ewigen Jagdgründe .«
    Unter
diesen Umständen verstand es sich von selbst, jetzt keine langwierige
Unterhaltung zu beginnen. Gemeinsam schleppten wir den Indianer auf einer aus
kräftigen Ästen zusammengefügten Bahre auf die Fliegende Wolke, und später das
gesamte, aus Kisten und Kasten, aus Taurollen und Reisesäcken bestehende Gepäck
von Zirkus-Joe und Little-Byrd. Cookie Pott untersuchte die Wunden der Rothaut,
reinigte sie, entfernte eine Kugel unterhalb des Schlüsselbeines, legte Salben
und frische Verbände auf.
    Der
Indianer war bewußtlos und bemerkte von all dem nichts. Trotzdem war Cookie
Pott zuversichtlich: »Er hat zwar viel Blut verloren, aber sein Herz schlägt
ruhig. Wenn er kein Fieber bekommt, wird er bald wieder vergnügt unter den
Lebenden weilen, das ist jedenfalls meine Meinung !«
    »Und
meine auch !« kollerte Tante Turkie, die Cookie Pott
nicht nur interessiert zugesehen hatte, sondern ihm auch beim Anlegen des
Verbandes behilflich gewesen war.
    Da
wir im Augenblick nichts mehr für unseren stummen Fahrgast tun konnten,
betteten wir ihn auf das Sofa in der Kabine und beratschlagten, ob wir
weiterfahren oder einige Tage hier bleiben sollten. Zunächst aber erzählte uns
Zirkus-Joe, was vorgefallen war.

Eine Gaunerei
     
    »Sie
müssen wissen, Mister, daß Little-Byrd und ich von Stadt zu Stadt ziehen, um
die Leute mit unseren Künsten zu erfreuen. Nun — was man hier so Stadt nennt...
Die Menschen haben wenig Abwechslung im Wilden Westen, und so sind wir überall
willkommen. Übrigens können wir uns auch sehen lassen — doch das nur nebenbei.
Vielleicht haben Sie selbst einmal das Vergnügen, wenn ich mich so ausdrücken
darf. Also vorgestern befanden wir uns noch gemütlich und nichts Böses ahnend
in einer Postkutsche, auf dem Weg nach

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