Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lord Schmetterhemd im wilden Westen

Lord Schmetterhemd im wilden Westen

Titel: Lord Schmetterhemd im wilden Westen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Kruse
Vom Netzwerk:
Samt bezogen waren und auf dem Fußboden lag —
welch ein Luxus — ein nur mäßig abgetretener Teppich. Der Wirt stand in einer
Art Pförtnerloge, hinter ihm hingen die Zimmerschlüssel an Messinghaken, und
vor ihm lag aufgeschlagen ein dickes Buch. Er zeigte mit dem Bleistift auf
meine Vorfahren, die den Eingang versperrten, so daß der mit dem Gepäck
hereinplatzende Cookie ins Stolpern kam.
    »Dies
ist«, rief mir der Wirt zu, »ein ordentliches Haus. Tiere sind keinesfalls
gestattet. Ich ersuche Sie, das Viehzeug im Pferdestall unterzubringen .«
    Ich
empfand eine nicht unbeträchtliche Verlegenheit.
    Doch
nahm Tante Turkie die Sache in ihre Krallen. Ohne sich um seine aufgerissenen
Augen zu scheren, bewegte sie sich auf den Hotelier zu, schwang sich auf die
Theke und klopfte mit der Stielbrille auf die Buchseiten. »Sie«, fuhr sie ihn
an, »Sie haben kein Benehmen. Schreit man so eine Dame an? Ist es in Ihrem Haus
üblich, Leute von Stand im Stall schlafen zu lassen? — Man muß Ihnen Manieren
beibringen! Die Schlüssel, rasch! — Und machen Sie Ihren Mund zu, der Anblick
Ihrer Goldzähne stört mich !«
    Wie
in einer Hypnose riß der Hotelier die Schlüssel vom Haken, Cookie nahm sie in
Empfang, und wir erklommen die Treppe. Der Wirt taumelte auf einen Stuhl und
faßte sich an den Kopf. Er verstand die Welt nicht mehr.
    Ich
fand das Hotel nicht übel. Nur Onkel Rab meinte, es wäre höchstens zweiter
Klasse.
    »Und
warum ?« fragte ich.
    »Das
Klo hat keine Wasserspülung !« antwortete er.
    »Woher
weißt Du das ?«
    »Ich
weiß es eben !«

Ein Abend im Saloon
     
    Ich
fühlte mich recht gut aufgehoben. Das Hotel trug den beziehungsreichen Namen
»Zur weiten Prärie«, und das schien mir ein gutes Vorzeichen zu sein. Mein
Zimmer war mit Möbeln aus Mahagoniholz behaglich ausgestattet, und wenn ich auf
den Balkon trat, sah ich den Galgenbaumplatz unter mir. Ich hoffte allerdings,
daß in der Zeit meines Hierseins keine Hinrichtung stattfinden würde. Allein
der Gedanke an diese Möglichkeit quälte mich.
    Meine
Vorfahren wohnten Wand an Wand neben mir. Sie waren auf eine peinliche Weise
unternehmungslustig. Am liebsten wären sie sofort durch Western-Town spaziert,
um jeden Winkel kennenzulernen. Onkel Rab schwärmte davon, edle Pferde zu treffen,
Tante Turkie zeigte Interesse an der kleinen Kirche und hätte gerne mit den
Damen der Gemeinde geplaudert, während Onkel Berni eine Farm mit Rinderherden
und Cowboys sehen wollte.
    Es
gelang mir aber, sie zu vertrösten. Ich sagte, daß ich müde sei. Um jedes
unnötige Aufsehen zu vermeiden, ließ ich mir sogar das Abendbrot aufs Zimmer
servieren. Cookie bürstete meine Kleider aus und hängte sie in den Schrank.
    Ich
hatte mich auf dem Sofa ausgestreckt, als es klopfte. »Herein!« Zirkus-Joe trat
ein wenig verlegen bei mir ein. Er hatte sich frisch rasiert, mit duftendem
Wasser eingerieben und trug ein gewaschenes Hemd mit einem roten Halstuch. Ich
richtete mich auf und bot ihm einen Stuhl an. Er ließ sich auf der Kante nieder
und starrte auf seine Schuhe.
    »Wo
brennt es«, fragte ich.
    »Mylord«,
würgte er schließlich hervor. »Ich habe eine Bitte, aber ich weiß leider im
voraus, daß Sie sie ablehnen werden .«
    »Ich
lehne keine Bitte ab, wenn ich sie erfüllen kann .«
    »Sie
wissen«, murmelte er, »durch den Überfall sind wir ganz ausgeplündert,
vollständig abgebrannt. — Gewiß, wir haben die Nuggets des Häuptlings, trotzdem
wäre es für Little-Byrd und mich besonders wichtig, bei der nächsten
Vorstellung volle Kassen zu machen. Hier am Ort — auf dem Galgenbaumplatz. Und
da dachte ich mir — da hofften wir — wenn Sie... mit Ihren sprechenden
Tieren...«
    »Unmöglich !« rief ich.
    »Aber
es wäre eine Attraktion !«
    »Es
geht nicht! — Außerdem sind es keine sprechenden Tiere !«
    »Aber
was sind sie denn? Ich zermartere mir schon die ganze Zeit den Kopf .«
    »Hm
—« machte ich, »es ist wirklich schwer zu erklären. Aber es ist mir nicht
verboten, darüber zu sprechen, — lieber Zirkus-Joe, es sind Gespenster...«
    »Mylord!«
    »Ich
lüge nicht! Es sind meine Vorfahren !«
    Zirkus-Joe
sah mich mit geweiteten Augen sekundenlang an. Dann schluckte er trocken. Ich
konnte mir gut vorstellen, was hinter seiner Stirn vorging: er hielt mich für
vollständig verrückt. Er murmelte fast unverständlich: »Na-türlich! Ganz klar!
Da-dann verstehe ich alles .« Er stand etwas unbeholfen
auf, keinen Blick von mir lassend, und ging

Weitere Kostenlose Bücher