Lord Stonevilles Geheimnis
Tür, dann hielt sie jedoch inne und kam noch einmal zurück, um ihm kräftig die Hand zu schütteln. »Vielen Dank, Mr Pinter. Ich weiß Ihre Hilfe wirklich sehr zu schätzen!«
»Nichts zu danken«, entgegnete er mit einem freundlichen Lächeln. »Ich sehe es nicht gern, wenn Schurken wie Mr Hyatt das Vertrauen junger Damen missbrauchen. Er hat es verdient, als Betrüger entlarvt zu werden, und dabei helfe ich Ihnen mit dem größten Vergnügen.«
Sie schenkte ihm abermals ein dankbares Lächeln und eilte davon. Sie war die Treppe zur Hälfte hinaufgelaufen, als Minerva plötzlich hinter ihr auftauchte. »Celia sagte, Sie haben Neuigkeiten!«
»Mr Pinter hat meinen Verlobten gefunden. Wir brechen in Kürze an die Küste auf, um ihn zu treffen.« Es war ihr zu peinlich zuzugeben, wie sehr sie sich in Nathans Charakter getäuscht hatte, und ihr genaues Reiseziel wollte sie Minerva auf keinen Fall verraten, damit Oliver nicht davon erfuhr.
»Und was ist mit meinem Bruder?«, fragte Minerva.
Maria trug eine gleichgültige Miene zur Schau. »Was soll mit ihm sein?«
Minerva hatte Mühe, mit ihr Schritt zu halten. »Er sagte, er wolle eine Sondergenehmigung für die Heirat besorgen, also habe ich gedacht …«
»Sie haben falsch gedacht«, schnitt Maria ihr das Wort ab. Ihr Herz mochte anderer Ansicht sein, aber diesmal würde sie auf ihren Verstand hören. Ihr Herz hatte sie in der Vergangenheit fehlgeleitet. »Trotz der Farce, die sich gestern auf dem Ball abgespielt hat, gibt es diesbezüglich keine Übereinkunft zwischen uns.«
»Aber Sie wissen, dass Sie ihm sehr viel bedeuten. Sie können nicht abreisen, ohne es ihm zu sagen!«
»Doch, das kann ich.« Sie musste es sogar. Denn wenn sie wartete, bis er zurückkehrte, würde er versuchen, ihre Abreise zu verhindern. Er wollte zwar keine rechtschaffene Ehe mit ihr führen, aber die Vorstellung, dass ein anderer sie bekam, gefiel ihm auch nicht. Ebenso wenig würde er ihr die Freiheit zugestehen, England ohne ihn zu verlassen.
Sie verhielt sich wahrscheinlich feige, aber sie wusste, dass sie Oliver unterliegen würde, wenn er ihr seine geballte Willenskraft entgegensetzte. Und davor hatte sie Angst, denn er war imstande, sie zu zerstören. In den vergangenen Tagen war er dem schon sehr nahe gekommen.
Minerva hielt sie am Arm fest und zwang sie, auf dem Treppenabsatz stehen zu bleiben. »Maria, das ist ungerecht!«
»Ungerecht?« Sie riss sich los. »Sie wissen ja gar nicht, was ungerecht ist! Zuerst wurde ich genötigt, dieses lächerliche Spiel für Sie fünf zu spielen, damit ich endlich meinen Verlobten wiederbekomme. Und dann bringt es Nathan, der Mann, den ich heiraten wollte, der Mann, dem ich vertraut habe, tatsächlich fertig …«
Als ihr die Tränen in die Augen stiegen, wurde ihr bewusst, dass sie zu viel gesagt hatte. Sie kämpfte mit aller Macht gegen die Enttäuschung an und bemühte sich, gefasst fortzufahren. »Das gehört jetzt nicht hierher. Ich muss abreisen und werde nicht zulassen, dass Oliver mich daran hindert. Das ist eine Sache zwischen mir und Nathan.«
»Kommen Sie denn zurück?«
»Dazu gibt es keinen Grund. Ihre Großmutter will offensichtlich nicht einlenken, also ist Olivers Plan gescheitert. Und ich kann nicht … Ich darf nicht …« Maria fing an zu weinen. Die lange Nacht und die schlechten Neuigkeiten forderten ihren Tribut.
Minerva sah sie betroffen an. »Oh, ich schere mich keinen Deut um Olivers Plan. Es ist Ihr Wohl, das mir am Herzen liegt, Maria! Was ist los? Was ist geschehen?«
Maria wischte die Tränen fort. »Nichts, womit ich nicht fertigwerden kann.«
»Hat Oliver etwas getan, das er nicht hätte tun sollen?«, brauste Minerva auf. »Wenn ja, dann werde ich …«
»Nein, nein, nichts dergleichen«, log Maria. »Bitte, ich muss gehen. Es ist wichtig.«
Minerva nickte. »Nun gut. Dann werde ich Ihnen helfen.«
»Wie?«
»Ich kann schneller Koffer packen als irgendjemand sonst auf der Welt.«
»Vielen Dank«, sagte Maria. »Aber es würde mir mehr helfen, wenn Sie sich um Freddy kümmern könnten. Er braucht immer ewig lang zum Packen und vergisst die Hälfte seiner Sachen.«
»Schon erledigt!«, sagte Minerva nur und steuerte auf Freddys Zimmer zu. Maria war sehr erleichtert. Wenn sie Minerva zu lang in ihrer Nähe hatte, würde sie in Versuchung geraten, ihr alles anzuvertrauen, und das machte die Sache nur noch schlimmer.
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