Lord Stonevilles Geheimnis
grauen Augen glomm Mitgefühl auf. »In Southampton hat er sich als Besitzer des amerikanischen Unternehmens Massachusetts Clippers vorgestellt. Er hat den Reedereien dort mehrere Schiffe zum Verkauf angeboten. Es hat lange gedauert, aber schließlich hat er einen potenziellen Käufer gefunden, einen gewissen Mr Kinsley, den es einige Zeit gekostet hat, Mr Hyatts Glaubwürdigkeit zu überprüfen.«
»Aber wie konnte ihm das gelingen, wenn Nathan einfach ein neues Unternehmen erfunden hat?«
»Jemand in Baltimore hat seine Geschichte bestätigt.«
Maria wurde schwer ums Herz. »Von dort stammt seine Familie. Und ihren Ruf macht er sich wahrscheinlich zunutze.« Das erklärte, warum er die Aktentasche verpfändet hatte: Es stand der falsche Name darauf.
Dieser zusätzliche kleine Verrat versetzte Maria einen Stich ins Herz. »Seine Eltern sind tot, aber die Familie seines Vaters war in der Schiffsbaubranche und hatte viele Beziehungen. Er muss einen seiner Angehörigen dazu gebracht haben, für ihn zu lügen.«
»Ich habe noch nicht herausgefunden, wen er dafür eingespannt hat, aber ich gehe der Sache nach, wenn Sie wünschen.«
»Das ist nicht nötig.« Nachdem Maria erfahren hatte, wo er war, wollte sie, dass er ihr persönlich Antworten lieferte.
Sie hatte sich die ganze Zeit um ihn gesorgt – und er hatte sich einfach davongeschlichen, um hinter ihrem Rücken krumme Geschäfte zu machen? Wie konnte er nur!
Die Ironie an der Sache entging ihr natürlich nicht: Nachdem sie jahrelang mit großer Faszination Geschichten über Schwindler und Betrüger gelesen hatte, war sie nun selbst an einen solchen Ganoven geraten. Kriminelle Machenschaften verloren jedoch schlagartig ihren Reiz, wenn man ihnen selbst zum Opfer fiel.
»Da ist noch etwas«, sagte Mr Pinter. Sein Ton war so grimmig, dass Marias Herz einen Schlag aussetzte. Sie wusste nicht, ob sie eine weitere Hiobsbotschaft verkraften konnte. »Ja?«
»Der Reedereibesitzer, mit dem Mr Hyatt Geschäfte macht, hat eine Tochter im heiratsfähigen Alter, und in Southampton geht das Gerücht um, dass er sehr interessiert an ihr ist. Es wird gemunkelt, dass er ihr in Kürze einen Heiratsantrag machen wird.«
Wie betäubt vor Schmerz wendete Maria sich ab und starrte auf das Gitterfenster, das die hereinfallenden Lichtstrahlen brach, wie Mr Pinters Nachricht sie gebrochen hatte.
Nicht dass sie Nathan liebte. Falls sie es jemals getan hatte, dann hatte das Gefühl sein monatelanges Schweigen nicht überlebt – und ihre Nacht mit Oliver schon gar nicht.
Doch ihr Stolz war ernstlich verletzt, und ihr Vertrauen in ihre Fähigkeit, den Charakter eines Mannes einzuschätzen, war schwer erschüttert. Sie hatte Nathan die ganze Zeit für einen ehrenhaften Mann gehalten, und nun stellte sich heraus, dass er ein hinterhältiger Betrüger war. Oliver hatte recht gehabt, verflucht sei er.
»Ich hätte Hyatt die Nachricht vom Tod Ihres Vaters natürlich überbracht«, fuhr Mr Pinter fort, »aber dazu haben Sie mir keine Erlaubnis erteilt, und ich dachte, Sie möchten es vielleicht selbst tun.«
»Das möchte ich allerdings.« Eine ungeheure Wut stieg in Maria auf, und sie drehte sich ruckartig zu Pinter um. »Wie weit ist Southampton von hier entfernt?«
»Es liegt an der Südküste. Mit einem schnellen Gespann und bei gutem Wetter schafft man die Strecke mühelos in zwölf Stunden, vielleicht auch weniger.«
Da Maria das Geld für diese Reise fehlte, konnten es ihretwegen auch zwölf Jahre sein. Sie seufzte resigniert.
»Wenn Sie mir gestatten, Ihnen zu helfen, Miss Butterfield«, sagte Mr Pinter, »bringe ich sie gern dorthin. Meine Kutsche steht reisefertig vor der Tür.«
Sie sah ihn mit großen Augen an.
Er lächelte kaum merklich. »Ich dachte mir, dass Sie der Sache weiter nachgehen wollen.«
»Ja, aber … Nun, es kann etwas dauern, bis ich Ihnen Ihre Dienste vergelten kann, und eine Reise mit der Kutsche kann sehr kostspielig sein …«
»Machen Sie sich darum keine Gedanken. Ich habe Ihre Geschichte ebenfalls überprüft und bin davon überzeugt, dass ich mich darauf verlassen kann, dass sie mich zu gegebener Zeit bezahlen werden.«
Sie hätte ihn am liebsten geküsst! »Dann müssen wir sofort aufbrechen. Ich sage meinem Vetter Freddy Bescheid und packe in Windeseile.«
»Sehr wohl. Ich versorge die Pferde und lasse alles Nötige für Sie beide vorbereiten.«
Maria ging zur
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