Lord Stonevilles Geheimnis
angespannt.
Freddy schien es nicht zu bemerken. »Oh, richtig. Soll ich mein Schwert mitnehmen?«
»Ich habe es ihm gestern Abend zurückgegeben«, erklärte Oliver steif.
»Verstehe«, sagte sie. Oliver schien wirklich äußerst beunruhigt wegen des Schwerts zu sein. »Nein, lass es lieber hier«, sagte sie zu Freddy. »Ich bin sicher, dass Oliver uns beschützen kann.«
Als Oliver geräuschvoll ausatmete, sah sie ihn erstaunt an. Die Anspannung schien von ihm abgefallen zu sein, und er wirkte sehr erleichtert. Nun dämmerte ihr, dass er sich vermutlich die ganze Zeit gefragt hatte, ob sie die Vereinbarung mit ihm tatsächlich aufkündigte, wie er es ihr angeboten hatte für den Fall, dass sie immer noch unzufrieden mit der Situation war.
Die Erkenntnis ließ sie innehalten. Seit dem Gespräch mit seiner Großmutter hatte sie das starke Bedürfnis verspürt, ihm zu helfen und dieser Frau Paroli zu bieten. Von dem Moment an hatte sie sich so verhalten, als wäre die Sache geklärt, obwohl die Entscheidung im Grunde noch gar nicht gefallen war.
Kurz spielte sie mit dem Gedanken auszusteigen. Wenn sie blieb, half Oliver ihr zwar dabei, Nathan zu finden, aber vielleicht versuchte er auch, ihr noch mehr von diesen fantastischen Küssen aufzudrängen. Wollte sie das riskieren?
Sie musste es tun. Ohne seine Hilfe konnte sie Nathan nicht finden. Und ein paar Küssen konnte sie sicherlich widerstehen, wie herrlich sie auch sein mochten – selbst wenn ihr Herz zu rasen begann und ihre Eingeweide verrückt spielten, wenn sie nur daran dachte, Oliver zu küssen.
Um Gottes willen, was sagte das über ihren Charakter aus? Sie musste diese törichte Faszination unter Kontrolle bekommen.
Das Frühstück erwies sich als anstrengende Angelegenheit. Olivers Großmutter bombardierte sie regelrecht mit Fragen über ihre Familie, und sie hatte keine Ahnung, was sie antworten musste, um Oliver zu helfen. Sie wollte nicht lügen, aber sie hielt es auch nicht für klug, der alten Dame zu erzählen, dass ihre Familie eine höhere gesellschaftliche Stellung besaß, als Oliver angedeutet hatte.
Sie war so froh, als es endlich vorbei war, dass sie nicht einmal protestierte, als Oliver ihr auf dem Weg in den vorderen Teil des Hauses die Hand in den Rücken legte. Die Geste ließ sie wohlig erschauern.
Als sie in den Innenhof kamen, fragte er: »Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie beschlossen haben, unsere Geschäftsbeziehung fortzusetzen?«
»Solange Sie sich an Ihren Teil der Vereinbarung halten. Ich muss meinen Verlobten finden.«
»Natürlich.«
»Warum haben Sie Ihrer Großmutter gesagt, dass wir Kleider in der Stadt abholen müssen? Sie wird misstrauisch, wenn wir ohne zurückkehren.«
»Nach dem Gespräch mit dem Ermittler suchen wir ein Secondhandgeschäft auf. Dort erwartet Sie zwar nicht die allerneueste Mode, aber wir werden schon etwas Passendes für Sie finden.«
»Ich glaube nicht, dass ich es mir leisten …«
»Ich bezahle. Es ist meine Maskerade, also sind es auch meine Kosten. Wenn Sie die Kleider nicht behalten möchten, kann ich sie später an die Dienstmädchen verteilen oder wieder verkaufen. Wenn sie Ihnen jedoch gefallen, überlasse ich Sie Ihnen als kleines Dankeschön für Ihre Hilfe.«
»Wenn ich sie behalte, wird Nathan Ihnen das Geld zurückzahlen, sobald wir verheiratet sind«, entgegnete sie bestimmt.
Er sah sie durchdringend an. »Falls Sie ihn finden. Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, was Sie tun, wenn Sie ihn nicht finden?«
»Nein.« An die juristischen Verstrickungen, die sich daraus ergeben würden, wollte sie überhaupt nicht denken. Sie musste Nathan finden. Sie hatte gar keine andere Wahl.
Doch der Ernst der Lage lastete eine Stunde später noch schwerer auf ihr, als ein Bürogehilfe sie in das beengte, fensterlose Büro von Mr Jackson Pinter führte. Er sagte ihnen, der Bow-Street-Ermittler – der Oliver von einem guten Freund empfohlen worden war – sei jeden Augenblick wieder da. Dann ließ er sie allein.
Während Oliver auf einem Stuhl Platz nahm, ging Maria in dem kleinen Raum auf und ab. Zeichnungen von gefährlich aussehenden Männern hingen an den Wänden, und in einem Vitrinenschrank befand sich ein ganzes Sortiment an Waffen, was sie daran erinnerte, dass die Aufgabe des Ermittlers vor allem darin bestand, Verbrecher zur Strecke zu bringen.
Die Lage war in der Tat verzweifelt, wenn sie
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