Lords of Salem: Roman (German Edition)
an und stieg in Hausschuhen die Treppe hinab, doch unten war sie auch nicht.
Verärgert trottete er wieder hinauf, zog Schuhe und Jacke an und nahm seine Brieftasche. Ein kleiner Spaziergang würde nicht schaden, sagte er sich. Stimmt, er ging meistens irgendwann am Tag spazieren, aber warum musste das sein, ehe er seine Zeitung gelesen hatte?
Er trat aus der Haustür und ging die Straße entlang. Die tiefstehende Herbstsonne schien. Es war noch immer frisch, wenn auch nicht so kalt wie vor ein paar Tagen. Man konnte es gut aushalten. Er folgte der Straße durch die herrliche Altstadt von Salem. Ein wenig zugemüllt, aber trotzdem schön. Er überquerte die Straße und ging Richtung Innenstadt – wo es wahrscheinlich von Touristen wimmelte, denn es war Freitag und nicht mehr lang bis Halloween. Immerhin wusste er, dass er dort eine Zeitung bekommen würde. Er würde einfach versuchen, diesem ärgerlichen Hexentourismus aus dem Weg zu gehen. Oder zumindest versuchen, sich nicht darüber aufzuregen.
Er folgte der Mason Street, die sich um den Mack Park wand. Am Rand des Parks sah er einen Labrador, der an einem Parkverbotsschild angebunden war. Das arme Tier hatte sich so in seine Leine verwickelt, dass es sich kaum noch rühren konnte.
» Geht’s dir gut, mein Junge?«, fragte Francis. Der Hund wedelte mit dem Schwanz. Francis blickte sich nach dem Besitzer um, doch er sah niemanden – wahrscheinlich war er irgendwo im Park. Aber warum sollte er dann den Hund nicht mitnehmen? Francis ließ seinen Arm schlaff herunterhängen und näherte sich dem Hund, immer auf der Hut vor Anzeichen von Aggression wie zurückgelegten Ohren oder hochgezogenen Lefzen, doch der Hund schnüffelt nur an der Hand und leckte daran.
» Vielleicht kann ich dir helfen«, sagte Francis. » Was meinst du?«
Er kniete nieder und half dem Hund, die Beine aus der Leine zu befreien. An einer Seite der Hüfte befand sich ein wenig Blut, und Francis suchte zuerst besorgt nach einer Wunde, doch dort war nichts. Der Hund war nicht verletzt; das Blut musste irgendwie auf ihn getropft sein. Vielleicht war es bei einem Kampf mit einem anderen Hund geschehen? Allerdings wirkte er nicht wie ein Hund, der gern raufte.
Als er die Leine entwirrt hatte, war der Besitzer noch immer nicht zurückgekehrt. Er sah auf das Halsband, doch dort stand keine Adresse, sondern nur eine Telefonnummer und ein Name: Steve. Steve, was war das für ein Name für einen Hund? Er erhob sich und tätschelte dem Hund den Kopf. Steve wedelte mit dem Schwanz. Falls der Hund noch dort wäre, wenn er zurückkam, würde er ihn vielleicht mit nach Hause nehmen und die Nummer auf dem Anhänger anrufen. Er kicherte. Alice würde ziemlich überrascht sein, wenn er mit einem Hund auftauchte.
Er bog in die Flint Street, überquerte den Fluss und die Gleise des Nahverkehrszugs, dann ging er links in die Essex Street bis zur Bibliothek. Einen Moment lang dachte er, seine Erinnerung hätte ihn getäuscht, aber nein, dort, halb verborgen hinter einem Fahrradständer, war er: der Zeitungsautomat.
Er warf die Münzen ein, öffnete die Klappe und nahm die oberste Zeitung. Er faltete sie, klemmte sie unter den Arm und ging los, doch dann blieb er plötzlich stocksteif stehen, weil er sich fragte, ob das, was er flüchtig aufgeschnappt hatte, wirklich dort stand. Mitten auf dem Bürgersteig faltete er die Zeitung auseinander. Die Schlagzeile lautete:
Zweiter Ritualmord in Salem
» O mein Gott«, sagte er laut und las weiter.
Zum zweiten Mal in dieser Woche wurde Salem von einem Mord erschüttert.
Virginia Williams, 51, die ihr ganzes Leben in Salem verbrachte, wurde wegen Mordes an ihrem Ehemann Keith Williams, 60, festgenommen.
» Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist«, antwortete Virginia Williams auf die Frage des Reporters, warum sie die Tat begangen habe. » Ich meine, ich habe wirklich keine Ahnung. Ich habe mich über ihn geärgert, und dann ist plötzlich alles außer Kontrolle geraten. Aber ich kann mich nicht daran erinnern. Es war, als wäre ich einfach in einer Blutpfütze aufgewacht.«
Mrs. Williams wird beschuldigt, mehrfach mit einem Messer auf ihren Mann eingestochen und anschließend den Leichnam verstümmelt zu haben.
Freunde des Ehepaars berichten, Keith sei angeblich bereits wegen häuslicher Gewalt aufgefallen. Ein Bekannter, der nicht namentlich genannt werden wollte, sagte: » Das überrascht mich nicht. Er hat es mit Sicherheit verdient.«
Diese Tat weist
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