Lords of Salem: Roman (German Edition)
abgebildet, die schreiend über ein freies Feld rannte und über die Schulter zurückblickte. Hinter ihr lief mit steifen ausgebreiteten Armen Frankensteins Monster. Frankenstein gegen den Hexenjäger , stand in bluttriefenden Lettern über dem Bild.
Warum klebt hier jemand Werbeplakate? , fragte sie sich. Irgendwie Verschwendung, oder?
Dann wurde ihr plötzlich klar, dass sie diesen Ort doch kannte, allzu gut sogar. Sie verlangsamte ihre Schritte und blieb schließlich stehen. Beinahe hätte sie sich umgedreht und wäre zurückgegangen, doch dann, fast gegen ihren Willen, ging sie weiter.
Sie näherte sich einer braunen Metalltür in der Ziegelmauer. Da war sie also. Einen Augenblick lang starrte sie die Tür an. Ich kann immer noch umdrehen , sagte sie sich. Ich kann auf dem Absatz kehrtmachen, zurück in meine Welt gehen, und alles ist in Ordnung.
Doch sie wusste, dass es dafür zu spät war.
Sie klopfte vorsichtig an der Tür. Als nach einer Weile niemand öffnete, schlug sie energisch gegen das Metall. Die Tür wurde einen Spalt weit aufgerissen, und Heidi sah das bleiche und unrasierte Gesicht eines Mannes mit blutunterlaufenen und wütenden Augen. Er betrachtete sie von Kopf bis Fuß und erkannte sie plötzlich.
» Ah, Heidi«, sagte er. » Wieder im Schoß der Familie?«
» So würde ich das nicht ausdrücken.«
» Und trotzdem bist du hier«, sagte er. » Wie ernst ist es? Zeit für einen Schuss?«
Sie schüttelte den Kopf. » Ich brauche nur etwas, damit ich mich besser fühle.«
Er nickte grinsend und zeigte dabei eine Reihe spitz gefeilter Zähne. » Ich weiß, was du brauchst. Hast du Kohle dabei?«
Sie griff in die Tasche, zog einen ordentlich gefalteten Schein heraus und schob ihn durch den Türspalt. Die dreifingrige Hand des Manns schnappte sich den Schein, dann wurde die Tür zugezogen.
Sie stand allein und zitternd in der Gasse. Wieder redete sie sich ein, dass sie jederzeit gehen könnte, doch es hatte schon beim ersten Mal nicht gestimmt, und jetzt stimmte es noch weniger. Sie vergrub die Hände tief in den Taschen und versuchte, an gar nichts zu denken.
Kurz darauf öffnete sich die Tür, und die Hand schoss heraus. Sie streckte ihre Hand aus, er schüttelte sie und hinterließ ein Briefchen darin, als er sie losließ. Dann wurde die Tür wieder geschlossen, und sie ging davon.
Auf dem Heimweg durchquerte sie den um diese Uhrzeit verwaisten Lappin Park. Sie war überrascht, als sie das Denkmal dort sah: eine Bronzestatue der Schauspielerin Samantha Stevens aus Verliebt in eine Hexe , die auf ihrem Besen durch die Mondsichel ritt. Wow , dachte sie. Der Tag beginnt mit dem Hexenmahnmal und endet an einer schlechten Skulptur einer Hexe aus einer Fernsehserie. So was gibt’s nur in Salem.
Sie streckte die Hand aus und berührte das lächelnde Gesicht der Statue. Die Bronze war kalt, fast zu kalt, um sie anzufassen. Einen Moment lang hatte sie das Gefühl, die Kälte ströme aus der Statue in ihren Körper, fließe durch ihren Arm und bahne sich ihren Weg bis zu den Knochen. Sie ließ die Hand eine Weile auf dem Gesicht liegen, dann ging sie langsam nach Hause.
42
F rancis murrte ein wenig, während er sich anzog, fand sich jedoch schließlich damit ab, dass sie sich den Film ansehen würden, und amüsierte sich sogar. Alice hatte recht – es gab keinen Grund, warum Heidi an seiner Entdeckung interessiert sein sollte. Es würde sie wahrscheinlich nur beunruhigen. Er hatte manchmal Schwierigkeiten einzusehen, dass nicht jeder darauf erpicht war, sich Wissen um des Wissens willen anzueignen.
Alice wusste, dass sein Genörgel größtenteils Theater war, deshalb ließ sie ihn weitermachen, bis sie beinah am Kino waren, und sagte dann streng, er solle sich benehmen. Das war kein Problem für ihn. Er vergnügte sich, und wenn er morgen erschöpft wäre, weil er die Nachtvorstellung besuchen musste, dann war das auch in Ordnung.
Am Ticketschalter versuchte er, die letzte Möglichkeit zu nutzen, um sich aufzuregen. Als er an der Reihe war, sagte er: » Ich glaube, es gibt zwei Freikarten auf meinen Namen, Francis Matthias.« Er spürte, wie Alice seinen Arm fester packte, und erwartete, dass der Kartenverkäufer sagen würde, es tue ihm leid, aber es seien keine Karten für ihn hinterlegt worden, doch der Mann gab sie ihm. Ein wenig überrascht nahm er sie entgegen und gab sie lächelnd an Alice weiter.
» Sieh mal einer an«, sagte sie. » Du hast also doch Freikarten
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