Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lords und Ladies

Lords und Ladies

Titel: Lords und Ladies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
Vom Netzwerk:
gleich angeordneten Zweigen und einem Stoffetzen, der aus dem Umhang des Erzkanzlers stammte. Aber Esme verfügte über eine besondere Eigenschaft: Bei Leuten, die keine Hexenhüte und uralten schwarzen Kleider trugen, sprach man in diesem Zusammenhang vielleicht von »Haltung«. Ja, Esme Wetterwachs besaß Haltung. Man konnte sich kaum vorstellen, daß sie sich schwerfällig bewegte – es sei denn, es steckte ihrerseits Absicht dahinter.
    Natürlich hatte Ridcully das auch damals bemerkt. Allerdings war er zu jener Zeit vor allem darüber erstaunt gewesen, wie gut Esmes Gestalt in den Rest der Welt paßte. Und…
    Der Erzkanzler fand ins Hier und Heute zurück.
    »Einen Augenblick!«
    »Du trägst völlig falsche Kleidung!«
    »Ich habe nicht mit einer Wanderung, durch den Wald gerechnet! Dies ist ein verdammter Zeremonienmantel!«
    »Zieh ihn aus.«
    »Woher sollen dann die Leute wissen, daß ich Zauberer bin?«
    »Ich sage es ihnen!«
    Oma Wetterwachs wurde allmählich sauer. Tief in ihrem Innern mußte sie zugeben, daß sie sich tatsächlich verirrt hatte. Obwohl das eigentlich unmöglich war. Zwischen dem Wehr an den Stromschnellen des Lancreflusses und der Stadt Lancre konnte man sich gar nicht verirren. Es ging immer bergauf. Außerdem war Oma Wetterwachs einen großen Teil ihres Lebens im hiesigen Wald herumgestreift. Er gehörte ihr praktisch.
    Inzwischen zweifelte sie kaum mehr daran, daß sie dreimal am gleichen Baum vorbeigegangen war. Ein Fetzen von Ridcullys Mantel hing daran.
    Oma fühlte sich wie jemand, der im eigenen Garten die Orientierung verloren hatte.
    Darüber hinaus glaubte sie, dann und wann das Einhorn gesehen zu haben. Es folgte ihnen. Sie versuchte, sich ins Selbst jenes Wesens zu tasten, aber ebensogut hätte sie probieren können, eine Eiswand zu erklettern.
    In ihrem eigenen Ich herrschte keine Ruhe, doch wenigstens durfte sie sicher sein, daß sie nicht den Verstand verlor.
    Wenn die Wände zwischen den Universen dünn sind, wenn sich die parallelen Stränge des Wenn und Falls zusammendrängen, um das Jetzt zu passieren, so wechseln gewisse Dinge von einer Seite zur anderen. Es sind sehr leise Signale, doch sie können wahrgenommen werden, wenn der Empfänger richtig eingestellt und sensibel genug ist.
    Hinter Omas Stirn flüsterten die beharrlichen Gedanken von tausend Selbstsphären, die alle Esme Wetterwachs hießen.
     
    Magrat wußte nicht genau, was sie einpacken sollte. Der größte Teil ihrer ursprünglichen Kleidung schien verschwunden zu sein, seit sie im Schloß wohnte. Und vermutlich bewies sie keine guten Manieren, wenn sie jene Sachen mitnahm, die von Verence stammten. Ähnliches galt für den Verlobungsring. Magrat bezweifelte, ob man ihn in solchen Fällen behalten durfte.
    Sie betrachtete sich im Spiegel.
    Und nahm sich vor, nicht mehr solche Sachen zu denken. Ihr ganzes Leben hatte sie damit verbracht, sich klein und unwichtig vorzukommen, immer höflich zu sein und sich zu entschuldigen, wenn ihr jemand auf den Fuß trat. Immer hatte sie gute Manieren zeigen wollen. Und das Ergebnis? Man behandelte sie, als wäre sie klein, unwichtig, höflich und hätte gute Manieren.
    Sie würde den, den, den verdammten Brief an den Spiegel heften, damit alle wußten, warum sie fortgegangen war.
    Ja, und dann würde sie ein neues Leben anfangen, in irgendeiner großen Stadt, als Kurtisane oder so. Was auch immer das sein mochte.
    Und dann hörte Magrat den Gesang.
    Nie zuvor in ihrem Leben hatte sie etwas Schöneres vernommen. Die Melodien flossen durch die Ohren ins Gehirn, ins Blut und Knochenmark…
    Ein seidenes Mieder rutschte ihr aus der Hand und fiel zu Boden.
    Sie zerrte an der Tür, bis sich ein noch halbwegs rationaler Teil ihres Ichs an den Schlüssel erinnerte.
    Der Gesang hallte durch den Flur. Magrat hob den Saum des Hochzeitskleids, um schneller zu laufen, eilte zur Treppe…
    Etwas sauste durch eine andere Tür, und es kam zu einer Kollision, die Magrat zu Boden schleuderte.
    Das Etwas hieß Shawn Ogg. Durch chromatischen Dunst sah Magrat ein besorgtes Gesicht unter der rostigen Kapuze des…
    … Kettenhemds aus Eisen.
    Der Gesang veränderte sich und blieb doch gleich. Die komplexen Melodien und der faszinierende Rhythmus gewannen eine neue, unangenehme Qualität – Magrat schien das Lied plötzlich mit anderen Ohren zu hören.
    Shawn zog sie zur Tür.
    »Ist alles in Ordnung mit dir, Fräulein Königin?«
    »Was geht hier vor?«
    »Ich weiß es nicht genau,

Weitere Kostenlose Bücher