Lords und Ladies
Fräulein Königin. Allerdings vermute ich, daß wir es mit Elfen zu tun haben.«
»Mit Elfen?«
»Das Tockley-Mädchen befindet sich in ihrer Gewalt. Ähm. Du hast das Eisen weggenommen…«
»Wovon redest du da?« fragte Magrat verdutzt.
Shawns Gesicht war kalkweiß.
»Der Elf im Kerker begann zu singen, und sie haben das Mädchen gezeichnet, damit es ihnen gehorchen muß…«
»Shawn!«
»Und Mama meinte, sie töten nicht, wenn sich’s vermeiden läßt. Zumindest töten sie nicht sofort. Lebend machen wir ihnen viel mehr Spaß.«
Magrat starrte ihn mit großen Augen an.
»Ich mußte fliehen! Sie versuchte, mir die Kapuze abzunehmen! Es blieb mir gar nichts anderes übrig, als den Kerker zu verlassen, Fräulein Königin. Verstehst du?«
»Elfen?«
»Besorg dir irgendeinen Gegenstand aus Eisen, Fräulein Königin! Sie verabscheuen Eisen!«
Magrat holte aus und versetzte Shawn eine Ohrfeige. Dabei berührten ihre Finger die metallene Kapuze und schmerzten.
»Du faselst dummes Zeug, Shawn!«
»Sie sind da draußen, Fräulein Königin! Ich habe gehört, wie sie die Zugbrücke herabgelassen haben! Sie sind da draußen und waren hier drin, und sie töten nicht, sie lassen uns zunächst am Leben, um…«
»Stillgestanden, Soldat!«
Etwas anderes fiel Magrat nicht ein. Aber es schien zu funktionieren: Shawn stand stramm.
»Jetzt hör mal…«, begann sie. »Alle wissen, daß es eigentlich gar keine Elfen gibt…« Ihre Stimme verklang, und sie kniff die Augen zusammen. »Das glaubt nur Magrat Knoblauch, nicht wahr? Alle anderen wissen es besser, stimmt’s?«
Shawn zitterte. Magrat packte ihn an den Schultern.
»Meine Mama und Oma Wetterwachs meinten, du solltest nichts davon erfahren!« jammerte der junge Mann. »Sie meinten, es sei eine Hexenangelegenheit!«
»Und wo kümmern sie sich derzeit um Hexenangelegenheiten?« fragte Magrat. »Hier ist weit und breit nichts von ihnen zu sehen, oder? Stehen sie vielleicht hinter der Tür? Nein! Liegen sie unterm Bett? Das scheint seltsamerweise auch nicht der Fall zu sein… Nur ich bin hier, Shawn Ogg. Und wenn du mir jetzt nicht endlich sagst, was du weißt… Dann sorge ich dafür, daß du den Tag bereust, an dem ich geboren wurde.«
Shawns Adamsapfel hüpfte auf und ab, während er darüber nachdachte. Nach einigen Sekunden befreite er sich aus Magrats Griff und lauschte an der Tür.
Der Gesang war verstummt. Magrat glaubte, draußen im Flur eilige Schritte zu hören, die sich entfernten.
»Nun, Fräulein Königin, meine Mama und Oma Wetterwachs waren oben bei den Tänzern…«
Magrat war ganz Ohr.
»Und wo sind alle anderen?« erkundigte sie sich schließlich.
»Weiß nicht, Fräulein Königin. Die Leute sind zur Vorstellung gegangen. Aber inzwischen müßten sie längst zurück sein.«
»Wo findet die Vorstellung statt?«
»Keine Ahnung, Fräulein Königin. Fräulein Königin?«
»Ja?«
»Warum trägst du das Hochzeitskleid?«
»Das geht dich nichts an.«
»Es bringt dem Bräutigam Unglück, wenn er die Braut vor der Trauung im Hochzeitskleid sieht«, sagte Shawn. Er suchte Zuflucht in banalen Klischees, um seinem Entsetzen zu entkommen.
»In diesem Fall stimmt es«, erwiderte Magrat. »Verence kann was erleben, wenn er mir über den Weg läuft.«
»Fräulein Königin?«
»Ja?«
»Vielleicht ist den anderen etwas zugestoßen. Unser Jason wollte in einer Stunde oder so zurück sein. Und inzwischen sind mehrere Stunden vergangen.«
»Aber es sind fast hundert Gäste und alle Leute aus der Stadt. Gegen eine so große Menge können Elfen sicher nichts ausrichten.«
»Das brauchen sie auch gar nicht.« Shawn trat ans unverglaste Fenster heran. »Von hier aus kann ich in den Kornspeicher auf dem Hof springen. Das Dach besteht nur aus Stroh, kein Problem. Dann schleiche ich durch die Küche und verlasse das Schloß durchs kleine Tor im mittwärtigen Turm, und zwar mit militärischer Präzision.«
»Warum?«
»Um Hilfe zu holen, Fräulein Königin.«
»Aber du weißt doch gar nicht, ob es überhaupt Hilfe gibt, die man holen kann.«
»Hast du eine bessere Idee, Fräulein Königin?«
Magrat schwieg.
»Das ist… sehr tapfer von dir, Shawn«, sagte sie kurz darauf.
»Bleib du hier«, meinte Nanny Oggs Sohn. »Dann geschieht dir nichts. Da fällt mir ein… Wie wär’s, wenn ich die Tür abschließe und den Schlüssel mitnehme? Dann kannst du gar nicht hinaus, selbst wenn du den Gesang hörst.«
Magrat nickte.
Shawn lächelte schief.
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