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Loreley

Titel: Loreley Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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geführt, wie ein G e spann Ackergäule.« Und dann, ohne dass sie etwas dag e gen hätte tun können, rutschte es ihr heraus: »Sagt, war ich wenigstens ein guter Ersatz für Fees tote Schwester?«
    Er starrte sie an, als hätte sie ihn einen Muttermörder geschimpft. »Was sagst du da?«, zischte er leise und in so bedrohlichem Tonfall, dass Erland schützend eine Hand auf Ailis’ Schulter legte.
    Sie aber ließ sich jetzt nicht mehr beruhigen. »Fee hat Euch nur aus einem einzigen Grund verlassen«, sagte sie gehässig. »Sie hat erfahren, was Ihr getan habt. Sie hat Euch durchschaut, Graf. Zuletzt wusste sie endlich, dass Ihr sie all die Jahre belogen habt. Nur deshalb hat sie das Angebot dieses Ritters angenommen.«
    Der Graf trat auf sie zu und gab ihr eine schallende Ohrfeige. »Wenn du kein Weib wärest, würde ich dich ins tiefste Verlies werfen lassen.«
    Sie hörte sich selbst nur noch reden, ganz ohne nac h zudenken. »Seit wann so zi m perlich? Vor ein paar Jahren noch habt Ihr ein kleines Mädchen in ein Verlies gewo r fen, wie es tiefer kaum sein könnte.« Der Vorwurf war ungerecht, da sie nur zu gut wusste, was für eine Kreatur der Körper des Mädchens beherbergt hatte, aber sie war längst jenseits vernünftiger Erwägungen. Sie wollte ihn beleidigen, ihn verletzen, und in diesem Augenblick war jede Androhung von Strafe bedeutungslos. Die Art, wie seine Züge zur Grimasse erstarrten, entschädigte für vi e les.
    »Du warst es!«, schrie er plötzlich. »Du hast das Gitter geöffnet!«
    »Nein!« Erlands Stimme klang so scharf und klar wie nie zuvor. »Ailis hat nichts damit zu tun. Sie war an j e nem Tag von morgens bis abends bei mir in der Schmi e de.«
    »Du verteidigst sie?«
    »Ich verteidige eine Unschuldige, Herr.«
    Der Blick des Grafen raste von Erland zu Ailis, dann wieder zurück zum Schmied. »Bist du dir dessen vol l kommen sicher?«
    »Völlig, Herr.«
    Was Erland tat, war ein Spiel mit dem Feuer. Wenn irgendwer sich erinnerte, dass Ailis bei Fees Ankunft aus dem Tor gelaufen war, war es um ihn ebenso geschehen wie um sie selbst. Sie war nicht sicher, ob sie wirklich wollte, dass er für sie log.
    »Ich habe die Naddred gesehen«, sagte sie ruhiger und hoffte, dass auch der Graf wieder zur Besinnung kam. »Ich war auf dem Berg, das ist wahr. Und ich habe gegen Euer Verbot verstoßen. Doch nur deshalb kann ich Euch vor der Gefahr warnen, die sich dort oben zusamme n braut.«
    Hatte sie schon wieder zu viel gesagt? Offenbar wus s te der Graf nicht, was mit Fee geschehen war; die Gräfin musste ihm die Wahrheit verschwiegen haben, aus Grü n den, die nur sie selbst kannte. War es da klug, dass Ailis zugab, mehr über die Gefahren des Berges zu wissen als sie eigentlich wissen durfte?
    »Mit Verlaub, Herr«, schlug Erland vor, »warum schickt Ihr nicht ein paar Männer dort hinauf, um nach dem Rechten zu sehen?«
    Der Graf stieß einen Seufzer aus, der allzu deutlich machte, dass sein Zorn vor allem eine Folge seiner Hil f losigkeit war. Erst der Ausbruch des Echos, dann der Freitod seines Bruders. Im Grunde war ihm wahrschei n lich längst gleichgültig, dass Ailis gegen sein Verbot ve r stoßen hatte. Er hatte mit weit größeren Sorgen zu käm p fen.
    »Geht jetzt«, befahl er, ohne auf Erlands Vorschlag einzugehen.
    Doch als sie den Rittersaal verließen, hörten sie, wie der Graf den Befehlshaber der Burgwache zu sich b e stellte, und bald darauf marschierte ein halbes Dutzend Männer durchs Burgtor, gerüstet und bewaffnet, den ste i len Weg zum Ufer hinab.
     
    Ailis stand allein hinter den Zinnen, als die Männer z u rückkehrten. Es war bereits dunkel. Durch einen Riss in der Wolkendecke glänzte die Mondsichel. Windstöße jammerten in den Dächern der Türme, und auf dem Wehrgang kämpften zwei Katzen.
    Eine Kette aus sechs lodernden Fackeln schob sich den Burgberg herauf. Daran, dass dies ohne Eile geschah, erkannte Ailis, dass der Marsch zum Lurlinberg erfolglos gewesen war.
    Sie war nicht enttäuscht, denn sie hatte nichts anderes erwartet. Wenn die Naddred auch nur halb so mächtig waren, wie der Händler und Erland behauptet hatten, g e hörte gewiss mehr dazu, sie aufzuspüren, als eine Hand voll Männer, deren schepperndes Rüstzeug ihr Kommen schon von ferne ankündigte.
    Immerhin hatte Ailis den Grafen gewarnt. Mehr kon n te sie nicht tun. Das hatte auch Erland gesagt, bevor er sich in seine Schmiede zurückgezogen hatte. Sie fragte sich, ob er noch wütend auf sie

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