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Loreley

Titel: Loreley Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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wiederherstellen konnte.
    Ich überbrachte den Schuldschein dem glücklichen Gastwirt, der mir übrigens da r aufhin sogleich die Hand seines drallen Töchterchens anbot.«
    Die Spielleute am Tisch buhten und winkten unglä u big ab.
    »Doch, doch, so war es«, sagte der Lange Jammrich beharrlich. »Aber das tut hier nichts zur Sache. Ich ließ mir eine Bahre anfertigen, die ich an meinen Schultern befe s tigen konnte, und darauf wurde der Tote gebunden. Bei Gott, wie der Kerl stank! Aber ihr wisst, ich pflege meine Versprechen zu halten« – erneutes Grölen und Lachen am Tisch – »und so zog ich fort und betrat mit meiner Last die Spielmannswege. In kluger Voraussicht hatte ich dem Alten zugesagt, die Leiche innerhalb zwe i er statt eines Tages abzuliefern, und so blieb mir gen ü gend Zeit, einen kleinen Abstecher hierher zu m a chen. Dort drüben, an jenem Tisch saß ich, ich selbst auf der einen Seite, und mein toter Gefährte auf der anderen. Ich muss gestehen, wenn je ein zorniger Geist in ihm gehaust hatte, so bemerkte ich nicht das Geringste davon. Er saß einfach nur da, roch schlecht und starrte aus gelbstich i gen Augen vor sich hin, wie es unter diesen Umständen wohl Sache eines jeden Leichnams gewesen wäre. Ich trank an jenem Tag viel Bier, schließlich galt es die Au s sicht auf einen erheblichen Münzbetrag zu feiern, und auch für den Toten bestellte ich ein paar Krüge. Natürlich vermochte er sie nicht selbst zu trinken, und so half ich ihm dabei. Kurzum, ich muss wohl so an die sechs, si e ben Krüge geleert haben, und dabei erzählte ich meinem Begleiter so manche Geschichte aus meinem bewegten Leben.« Er machte eine kurze Pause und sah Ailis schuldbewusst an. »Daru n ter war leider auch die deine.«
    »Meine … Geschichte?«, entfuhr es ihr verwundert.
    Er nickte. »Das, was du mir bei unserer ersten Bege g nung erzählt hast. Über das, was du auf dem Lurlinberg beobachtet hattest, das Treiben des Grafen und deines Vaters und so w eiter. Das alles ist schon eine Weile her und damals wusste ich noch nichts über dich oder deine Freundin Fee. All das sprach sich erst später herum.«
    »Aber was hat das mit den Naddred zu tun?«
    »Die Naddred kennen die Spielmannswege, und einige von ihnen vermögen sogar, sie zu benutzen. An jenem Tag war einer von ihnen hier im Wirtshaus. Wohl trug er keine Kutte, sonst hätte ihn der Wirt gewiss gleich h i nausgeworfen. Auf jeden Fall muss er mit angehört h a ben, was ich dem Toten erzählte, denn nach einer Weile sprach er mich an. Offenbar hielt er mich für derart b e trunken, dass er glaubte, mir jede Ei n zelheit entlocken zu können. Ha, nicht mit dem Langen Jammrich! Ich ve r drosch ihn heftig für seine Neugier, bis er schließlich o f fenbarte, ein Druide zu sein, und mir schreckliche R a che schwor. Da ließ ich ihn laufen und dachte mir vorerst nichts mehr dabei. Ich lieferte wie versprochen den Leic h nam bei dem alten Geizhals ab und erhielt meinen Lohn.
    Da staunt ihr, nicht wahr? Dachtet wohl, die Geschic h te liefe darauf hinaus, wie er mich übers Ohr haut! Da muss ich euch leider enttäuschen. Ich strich das Geld ein und brachte es an einen sicheren Ort.« Er hob die Hand und bestellte bei einer Schankmagd einen neuen Krug. »Erst Monde später erfuhr ich, dass die Naddred aus i h ren Verstecken im Süden gekrochen waren und nor d wärts zogen. Zum Lurlinberg.« Bedrückt sah er Ailis an. »Es tut mir Leid.«
    Das Mädchen zwang sich zu einem halbherzigen L ä cheln. »Es lässt sich ja nicht mehr ändern.«
    Sankt Suff hob seinen Bierkrug so heftig, dass Schaumflocken wie Schnee über der Tischplatte schwe b ten. »Freut mich, dass du bei uns bist, Kleine. Nach allem was man hört bist du ein tapferes Mädchen.«
    Sie schüttelte traurig den Kopf. »Tapfer? Ich trage die Schuld daran, dass meine einzige Freundin vom Echo besessen ist. Dabei war ich es, die den Schlüssel gesto h len hat. Mit Tapferkeit hat das wohl kaum etwas zu tun.«
    Samuel Auf-und-Dahin zwinkerte ihr aufmunternd mit seinem ummalten Auge zu. »Es geschieht nur das, was Titania geplant hat. Sie bewegt die Spielfiguren auf dem Brett, und sie bestimmt, was war, was ist und sein wird.«
    »Und dich hat sie unserer Obhut anvertraut«, setzte Buntvogel hinzu.
    Jammrich pflichtete ihnen bei. »Bleib bei uns, Ailis. An unserer Seite bist du sicher. Wenigstens vorerst.«
    »Wenn die Naddred wirklich glauben, ich sei dem Tor nach Faerie entstiegen, werden sie gewiss nach

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