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Loreley

Titel: Loreley Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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ihrer Linken saß.
    Sie nickte, wusste aber nichts darauf zu erwidern. Ihre unerwartete Bekanntheit unter diesen merkwürdigen Gestalten überraschte und beunruhigte sie. Warum wus s ten sie alle, was ihr widerfahren war? Vor allem aber: Weshalb hatte keiner von ihnen eing e griffen bei all den Fehlern, die sie im Umgang mit dem Echo begangen ha t te? Waren sie nur erheiterte Zuschauer wie T i tania?
    Sankt Suff hob seinen Krug, prostete dem Langen Jammrich zu, schaute dabei aber Ailis an. »Diese Bo h nenstange hat dir eine ganz schöne Suppe eingebrockt, was, Mä d chen?«
    Ailis blickte zu Jammrich hinüber, der wiederum se i nem dicken Freund einen fin s teren Blick zuwarf. »Halt du dich da raus«, brummte er ungehalten.
    Samuel Auf-und-Dahin deutete Jammrichs Worte goldrichtig. »Du hast es ihr noch gar nicht gesagt, oder?« Als Jammrich keine Antwort gab, fügte Samuel in Ailis’ Ric h tung hinzu: »Hat er dir verraten, dass er es war, der dir die Naddred auf den Hals g e hetzt hat?«
    Ehe sie etwas erwidern konnte, kam Jammrich ihr z u vor. »Natürlich hab ich’s g e sagt.«
    »Ja, ja«, brummte Sankt Suff durch die Schaumkrone auf seinem Bier, »wer seinen Mund nicht halten kann … Aber nimm’s ihm nicht übel, Kleine, das Reden ist es, das unsere Münzbeutel füllt. Wir können halt nicht davon lassen.« Er sah Feinklang an, den jüngeren der beiden Brüder. »Na ja, wenigstens die meisten von uns.«
    Feinklang schnitt ihm eine Grimasse, während Wir r sang sich an Ailis wandte. »Mein Bruder ist stumm. Aber er spielt besser auf der Harfe als jeder andere. B e stimmt besser als manch unhöflicher Fettsack an diesem Tisch.«
    Sankt Suff stieß wieder ein donnerndes Lachen aus und schob dem stummen Feinklang als Wiedergutm a chung einen seiner Bierkrüge zu, den jener mit breitem Grinsen annahm. Ailis dachte, dass diese Männer sich gut und lange kennen mussten, um so offen miteinander zu scherzen, ohne dass einer von ihnen zornig wurde.
    Neben Ailis’ Bierkrug kroch eine fette Kreuzspinne über d en Tisch. Sie wollte nach dem Tier schlagen, doch Springsfeld hielt sie zurück. »Nicht! Spinnen sind hier heilige Tiere. So will es der Wirt.«
    »Wieso das?«
    Buntvogel lachte. »Weil Kerle wie Springsfeld so viel Ungeziefer einschleppen, dass man seiner anders nicht Herr wird.«
    »Das alles sind Nachkommen jener Spinnen, die schon immer in diesem Haus le b ten«, sagte Springsfeld. »Neue können keine dazukommen – es sei denn, sie könnten Flöte oder Harfe spielen! Weil aber mit den Besuchern so viele Läuse und Flöhe und weiß der Teufel was hier rei n kommen, sind die Spinnen wichtig. Wer eine erschlägt, war zum letzten Mal hier.«
    Ailis sah zu, wie die Kreuzspinne am Rande der Tischkante verschwand, als plöt z lich Jammrich das Wort ergriff. Offenbar fühlte er sich endlich genötigt, ihr die Wah r heit über sich und die Naddred zu erzählen.
    »Das war eine dumme Sache«, begann er. »Es passie r te hier, in diesem Wirtshaus. Hin und wieder nehmen einige von uns Aufträge an, die nichts mit Musizieren oder Geschichtenerzählen zu tun haben. Eine reiche Kaufmannsfamilie bat mich – «
    Sankt Suff grölte dazwischen. »Bat ihn! Habt ihr das gehört? Sag, was haben sie dir gezahlt, Langer?«
    Jammrich blieb gelassen. »Mehr als du in einem Jahr verfressen könntest.«
    »Da hört ihr’s«, gab Sankt Suff zurück. »Unser Jam m rich ist ein reicher Mann!«
    Jammrich wartete geduldig, bis das Lachen des D i cken abgeklungen war, dann fuhr er fort: »Einer aus di e ser Familie, der Zweitälteste Sohn des Patriarchen, war während einer Handelsreise im Badischen am Fieber ve r reckt. Man hatte d ie Leiche dort in einer Gruft aufg e bahrt, da man wusste, dass die Verwandtschaft dieses Mannes über einigen Reichtum verfügte, und man hoffte, ein paar Münzen mit dieser Unterbringung verdi e nen zu können. Ein Bote war zur Familie im Norden geschickt worden, um die traurige Nachricht zu überbringen und die baldige Abholung des Leichnams zu erbitten.« Die Erinnerung brachte ein breites Grinsen auf Jammrichs Züge. »Nun ist das alte Obe r haupt dieser Familie nicht nur ein ungemein reicher Sack, sondern dazu einer der übel s ten Geizhälse, die mir je über den Weg gelaufen sind.«
    »Trotzdem bot er dir so viel Geld an?«, fragte Wir r sang, der die Geschichte noch nicht zu kennen schien.
    »Hör erst weiter!«, verlangte Jammrich und beugte sich mit Verschwörermiene über den Tisch. »Der

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