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Loreley

Titel: Loreley Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Feinklang.
    Die Spielmannswege trugen sie davon, rissen sie von ihrem Lagerplatz und schle u derten sie nach einer Weile im Chaos der Farben und Töne hinaus auf eine mondb e schienene Bergkuppe.
    Ailis taumelte schwindelig nach vorne, und sie wäre gestürzt, hätte Buntvogel sie nicht im letzten Moment festgehalten. Der Augenblick, in dem sie wieder festen Boden unter den Füßen spürte, war stets wie ein heftiger Schlag unter ihre Fußsohlen, und die ersten zwei, drei Schritte taten entsetzlich weh. Dann aber verging der Schmerz, und auch der Schwindel ließ nach.
    Von dem Berg aus blickte man hinab in ein bewald e tes Tal, durch dessen grü n schwarzen Grund sich ein Fluss schlängelte. Nicht der Rhein, wie Ailis sogleich fes t stellte, dafür war dieser Strom zu schmal.
    An der Rückseite des Berges führte der Hang seicht abwärts. Hohes Gras bog sich raschelnd im Nachtwind. Die Schräge ging nach einigen Schritten in ein kleines Plateau über, das wie eine umgedrehte Nase aus der Bergflanke stach. Von oben kommend war es leicht zu begehen, zum Tal hin aber wurde es durch eine steil a b fallende Felswand geschützt. Ein hervorragender Lage r platz, wenn man auf eine weite Aussicht und leichte Ve r teidigung Wert legte – vorausgesetzt freilich, der Feind war einem nicht überlegen. Dann nämlich wurde das Pl a teau zur Falle, deren einziger Zugang sich mühelos bl o ckieren ließ.
    Augenscheinlich rechnete die kleine Gruppe, die dort im Dunkeln lagerte, nicht mit einem Angriff. Ihr Feuer war nahezu heruntergebrannt. In seinem schwachen Schein lagen mehrere Gestalten, gekrümmt und in D e cken gerollt. Ein einzelner Umriss saß leicht vornüber gebeugt an der Steilwand und spähte in die entgegeng e setzte Richtung, hinaus über das dunkle Land.
    Ailis hörte ein leichtes Schnauben, konnte aber erst nicht erkennen, woher es rührte. Dann erkannte sie fünf schwarze Silhouetten, einige Schritte von den Schläfern am Feuer entfernt. Die Bären lagen auf den Seiten, die mächtigen Pranken von sich g e streckt. Feuerschein glänzte auf dem Gewirr von Ketten, mit dem die Tiere an einen toten Baumstumpf gefesselt waren.
    »Die sieben Zwerge«, flüsterte Jammrich Ailis zu.
    »Die was?«
    »So nennen sie sich. Die Sieben Zwerge und ihre hungrigen Bestien. Unter diesem Namen ziehen sie durchs Land und gaukeln den Menschen vor, die armen Kreaturen an ihren Ketten würden nur darauf warten, den einen oder anderen zu verschlingen.« Er schüttelte traurig den Kopf. »Ich bezweifle, dass diese Tiere überhaupt noch einen Zahn im Maul haben.«
    »Sie reißen ihnen die Zähne aus?«, fragte Ailis e r schüttert.
    Jammrich nickte. »Es wäre nicht das erste Mal.«
    Buntvogel beugte sich zu ihr herüber. »Wir haben sie bestimmt schon ein halbes Dutzend Mal aufgerieben und ihre Tiere befreit. Aber sie lassen nicht davon ab. Keiner von denen versteht sich gut genug auf sein Instrument, um die Spielmannswege zu benutzen, und so ziehen sie umher und hoffen, dass wir anderen sie nicht bemerken. Aber irgendwer läuft ihnen immer über den Weg, und Nachrichten wie diese sprechen sich im Wirtshaus schnell herum. Wir sind nicht die einzigen, die ihnen hin und wieder die Leviten lesen.«
    »Wir sollten ihnen ein für allemal die Schädel ei n schlagen«, meinte Sankt Suff grimmig und hieb sich mit der Faust in die offene Hand. »Das hab ich schon beim letzten Mal gesagt, aber es hört ja keiner auf mich.«
    »Ailis«, sagte der Lange Jammrich, »wenn du willst, dann warte hier oben auf uns. Wir erledigen das besser ohne dich.«
    Sie schüttelte den Kopf, wenn auch widerwillig. »Ihr habt gesagt, ich sei jetzt eine von euch«, sagte sie mit betont fester Stimme. »Also will ich dabei sein.«
    »Ha!«, machte Sankt Suff begeistert. »Ich wusste, dass du Mumm in den Knochen hast.« Und dabei schlug er ihr mit seiner gewaltigen Pranke so hart auf die Schulter, dass beinahe ihre Knie nachgaben.
    In einer Reihe schlichen sie den Hang hinunter. Das Gras reichte den Männern bis zu den Hüften, Ailis sogar bis zum Bauchnabel. So lange der Wächter dort unten in die andere Richtung schaute, würde sie ohnehin keiner bemerken.
    Einmal wandte Ailis sich flüsternd an Buntvogel: »Warum benutzt eigentlich keiner die Spielmannswege, um in die königlichen Schatzkammern zu gelangen?«
    Der Mischling sah sie entrüstet an. »Vielleicht sehen wir nicht so aus, aber auch wir haben unsere Ehre.«
    Sie fragte nicht weiter, denn sie wollte ihn und die a

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