Loreley
die Spielleute zu jubeln.
Jammrich war als Erster heran, obwohl er vor Schme r zen noch immer leicht g e beugt lief.
»Liebe Güte«, keuchte er atemlos. »Wie, bei allen Göttern, hast du das gemacht?«
Auch die anderen eilten zu ihr. Buntvogel hob sie auf Sankt Suffs breite Schultern. Von dort oben, über dem Beifall und den Fragen und dem befremdlichen Gefühl von Triumph schwebend, sah sie, wie die sieben Zwerge davonliefen, Hals über Kopf flüc h teten, ohne ihre Sachen zu packen.
Das war ich, dachte sie wie betäubt, und abermals b e kam sie Angst. Nicht vor den Bären. Nicht vor der mag i schen Melodie.
Jetzt hatte sie nur noch Angst vor sich selbst.
Am Abend kündigte Baan seiner Gemahlin den Besuch eines alten Freundes an. »Er heißt Ortolt«, sagte er. »Ich bin sicher, du wirst ihn mögen.«
Fee schenkte ihm ein Lächeln. »Wenn er dein Freund ist, wird er auch meiner sein.«
»Er will dich kennen lernen, seit ich zum ersten Mal von dir sprach.«
»Du hast mir nie von ihm erzählt.«
»Wir haben uns eine Weile nicht mehr gesehen, zum letzten Mal kurz nach meinem ersten Besuch auf der Burg deines Onkels.«
»Warum war er nicht hier, als wir Hochzeit feierten?«
Baan zögerte einen Augenblick. »Ortolts einziger Sohn starb, als er seinem Vater beim Turnier die Waffe reichte. Ortolt verlor die Gewalt über sein Pferd, es scheute und trampelte den Kleinen nieder. Er war erst sechs. Seitdem hat Ortolt das Feiern verlernt.«
»Wie traurig«, sagte Fee und versuchte, betroffen zu klingen.
Baan nickte. »Ich habe die Mägde bereits angewiesen, das Gästezimmer für dich zu bereiten.«
Fee hob die Augenbrauen. »Für mich?«
»Die Gastfreundschaft gebietet es, dass Ortolt in e i nem Bett mit dem Gastgeber schläft.«
Sie legte ihren Löffel ab, schob abrupt den Stuhl z u rück und sprang auf. »Dein Freund soll in unserem Eh e bett liegen? An deiner Seite?«
Baan sah verwundert zu, wie sie wutentbrannt um den Tisch herum auf ihn zukam. »Ich habe diese Regel nicht gemacht«, entgegnete er, sichtlich erstaunt über ihre E r regung.
»Dann haben wir ja keinen Grund, uns daran zu ha l ten«, gab sie scharf zurück und blieb neben ihm stehen.
Er wollte nach ihrer Hand greifen, doch sie entzog sie ihm. »Fee, bitte! Du weißt, dass du Unsinn redest. So sind nun einmal die Gesetze der Gastfreundschaft, und ich gedenke nicht, gerade vor einem meiner besten Freunde dagegen zu verstoßen.«
»Du willst einen Mann in dein Bett holen!«
»Du liebe Güte!«, entfuhr es Baan aufgeregt. »Es ist eine Geste, sonst nichts.«
In Fee brodelte ein so unbändiger Zorn, dass sie sich kaum noch zurückhalten kon n te. Sie war drauf und dran, den Gesang einzusetzen, um Baan umzustimmen. Dann aber kam ihr ein besserer Gedanke.
Einen Augenblick lang erstarrten ihre Züge, dann a t mete sie scharf aus, drehte sich mit einem Ruck um und ging zurück zu ihrem Stuhl.
»Wann wird dein Freund hier sein?«, fragte sie und setzte sich wieder.
Baan seufzte, erleichtert, dass sie zur Vernunft g e kommen war. »Morgen früh. Sein Bote sagte, Ortolt und seine Männer wollen ein letztes Mal am Südrand des Hochmoors lagern, um bei ihrer Ankunft ausgeruht zu sein. Falls sie bei Sonnenaufgang dort au f brechen, sollten sie noch vor dem Mittagsmahl hier sein.«
Fee nickte. »Dann werde ich schon heute Nacht im Gästezimmer schlafen.«
Er verzog das Gesicht. »Du bist trotzig wie ein alter Ziegenbock.«
»Vielleicht tut es dir ganz gut, mich ein wenig zu ve r missen.«
»Was erwartest du? Dass ich auf Knien an dein Bett gekrochen komme?«
Sie schenkte ihm ein aufreizendes Lächeln. »Nicht die übelste Vorstellung.«
Er grinste. »Wir werden sehen, wer wen vermisst!«
Auch Fee verzog die Mundwinkel. »Das werden wir.«
Baan erhob sich und prostete ihr mit seinem Weinb e cher zu. »Sei versichert, dass ich nicht an deine Tür klo p fen werde.«
Genau das will ich ja, du Narr!, dachte sie hämisch, sagte aber stattdessen: »Ich w ä re untröstlich.«
Baan kam um die Tafel herum zu ihr, küsste sie mit siegessicherem Lächeln und zog sich dann zurück ins Schlafgemach. Fee saß noch eine Weile länger da und nippte gedankenverloren an ihrem Wein. Er stammte von den Ländereien ihres Onkels und erinnerte sie an zu Ha u se.
Schließlich erhob sie sich und überprüfte, ob die Mä g de die Gästekammer zu ihrer Zufriedenheit hergerichtet hatten. Sie befahl, ihre Kleiderkiste aus dem Schlafg e mach zu holen, und
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