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Loreley

Titel: Loreley Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Fees Schicksal, schuldig auch am Auftauchen der Druiden und der Gefahr, die von ihnen ausging.
    Und was tat sie derweil? Zog mit einem Haufen Ve r rückter durchs Land, hörte ihrem wirren, wenn auch lu s tigen Geschwätz zu und gab sich nebenbei alle Mühe, das Musizieren zu erlernen. Buntvogel hatte ihr eine Flöte geschenkt, fast so lang wie ihr Arm, und wann immer sie Zeit dazu fand, versuchte sie, Melodien darauf zu spi e len.
    Die sieben Spielmänner hatten einiges Aufheben um die Bändigung der Bären gemacht. Dutzende Fragen ha t ten sie gestellt, doch im Grunde liefen sie alle auf das Gleiche hinaus: Woher kannte Ailis die Melodie, mit der sie die Bären besänftigt hatte?
    »Sie war einfach in mir«, gab sie immer wieder zur Antwort, obgleich sie damit selbst nicht zufrieden war. Sicher, es war die Melodie des Echos gewesen, doch zugleich war sie auch etwas vollkommen anderes. Denn Ailis hatte nicht einfach das Gehörte wiedergegeben; stattdessen hatte sie es nach ihrem eigenen Willen neu geformt und so angewendet, wie sie es für richtig hielt.
    Nachdem sie wieder zur Besinnung gekommen war, hatte sie eine Weile lang b e fürchtet, vielleicht sei doch ein Teil des Echos in sie geschlüpft, ohne dass sie selbst es bemerkt hatte. Der Gedanke war entsetzlich, und – sie konnte nicht anders – sie musste ihn mit den anderen te i len. Jammrich und die übrigen Spielmänner beruhigten sie: Trotz all seiner unheilvollen Fähigkeiten war das Echo gewiss nicht in der Lage, sich nach Belieben in Stücke zu teilen. Mochte auch wenig über das Wesen der Echos bekannt sein, etwas Derartiges hätte sich fraglos längst herumgesprochen.
    Dennoch ließ sich nicht leugnen, dass irgendetwas mit Ailis geschehen war.
    Schon einmal war sie zu dem Schluss gekommen, dass das Echo sie vor allem w e gen ihrer scharfen Ohren als Opfer ausgewählt hatte. Aber da musste mehr sein als nur das. Was, wenn sie nicht nur über ein ungewöhnlich g u tes Gehör verfügte, sondern zudem über ein Gefühl für Töne und Klänge, das anderen Menschen fehlte? Vie l leicht war sie deshalb so anfällig für die Gesänge des Echos.
    Kehrte sich damit ein bisheriger Nachteil zu ihrem Vorteil um? Konnte sie, wenn sie nur lange genug an sich arbeitete, das Echo mit seinen eigenen Waffen schlagen?
    »Unmöglich«, entmutigte Jammrich sie, als sie den Hügel zum Thron des Pfeife r königs hinaufstiegen. »Das Echo ist Äonen alt. Selbst wenn du wirklich über einige seiner Fähigkeiten verfügtest, müssten sie jahrtausend e lang weiterentwiekelt werden, um sie zur selben Reife zu bringen.« Er legte ihr freundschaftlich eine Hand auf die Schulter. »Doch davon jetzt genug. Der Pfeiferkönig e r wartet uns. Wenn du wirklich eine von uns werden willst, wirst du vor ihm den Eid ablegen müssen.«
    Das Oberhaupt der Spielmannszunft war ein großer Mann, älter als Jammrich und die anderen, mit sanften, wachsamen Augen. Sein Blick fiel schon von weitem auf Ailis und ihre Begleiter. Er empfing sie freundlich, und es lag kein Spott in seiner Stimme, als er sagte: »Da bist du ja, Ailis Toröffner. Hast du gewusst, dass man dich so nennt?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe das Tor nicht g e öffnet.«
    »Natürlich nicht«, entgegnete er mit verständigem N i cken. »Aber die Naddred glauben, dass du es getan hast. Sie denken, du warst drüben, in Faerie, und bist von dort zurückgekehrt. Sie suchen überall nach dir, und die Ku n de von dir und deinen Taten wandert von Mund zu Mund und macht dich mit jedem Mal ein wenig mutiger und heldenhafter.«
    »Daran liegt mir nichts«, entgegnete sie mit erhob e nem Haupt.
    »Auch davon hörte ich«, sagte der Pfeiferkönig. »B e scheidene Menschen begegnen mir leider nur noch se l ten. Die meisten, die sich hier herumtreiben, sind unve r besserl i che Großmäuler.« Mit einem Lächeln blickte er zum Langen Jammrich hinüber. »Nicht wahr, mein Freund?«
    Jammrich grinste lausbübisch. »Du bist nicht der Er s te, der mein wahres Wesen verkennt.«
    »Wohl kaum«, sagte der König der Spielleute und lachte. »Der Letzte hat dir die Nase gebrochen, wie ich hörte.«
    Jammrich machte eine Handbewegung, als wollte er die Worte des Pfeiferkönigs beiseite fegen. »Das ist fast zehn Monde her. Alte Geschichten taugen nichts in uns e rem Gewerbe, das weißt du.«
    »Wohl gekontert, mein Freund«, meinte der König schmunzelnd und schaute dann Ailis an. »Du willst also eine von uns werden?«
    »Ja«, kam Buntvogel

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