Loreley
ihr zuvor und trat aus dem Pulk der Spielleute an ihre Seite.
»Ich kann für mich selbst sprechen«, zischte sie ihm zu.
Er sah sie an und flüsterte: »Das weiß ich. Trotzdem brauchst du einen Fürsprecher. Als Nächstes wird er dich nämlich fragen – «
»Welches Instrument spielst du?«, unterbrach ihn der Pfeiferkönig.
»Flöte, Herr«, erwiderte sie.
»Nenn mich nicht Herr, denn das bin ich nicht. Ich bin ein Spielmann wie alle and e ren hier. Glaub nur nicht, dass ich das ganze Jahr auf diesem verfluchten Thron heru m sitze, hart und hölzern wie er ist! Morgen werde ich wieder wie der Rest von uns durch die Lande ziehen und mit meiner Musik um ein paar Münzen betteln.«
Ailis nickte schweigend. Die anderen hatten ihr von dem Wettstreit erzählt, mit dessen Hilfe alle fünf Jahre der neue Pfeiferkönig bestimmt wurde. Wer sein Instr u ment am besten beherrschte und sich zudem durch Klu g heit und Geschick mit Worten he r vortat, auf den fiel die Wahl der Spielmannszunft.
»Du spielst also Flöte«, sagte der Pfeiferkönig ernst. »Wie gut?«
»Nicht sehr, fürchte ich.« Tatsächlich konnte von Spielen kaum die Rede sein. Bi s lang war sie schon froh, wenn ihre Finger auf der Flöte die richtigen Öffnungen trafen.
Buntvogel griff abermals ein. »Wir werden sie alles lehren, was nötig ist.«
»So, so«, sagte der Pfeiferkönig, und seine Augen ve r rieten Heiterkeit. »Feine Lehrmeister hast du dir da au s gesucht, Ailis.«
»Mir sind gute Freunde wichtiger als gute Lehrer«, gab sie zurück. Buntvogel zwinkerte ihr zu, und irgen d wo hinter ihr räusperte sich Sankt Suff.
Der Pfeiferkönig schien einen Augenblick nachzude n ken, dann hellten sich seine Züge abermals auf. »Mir scheint«, verkündete er lächelnd, »dann steht einer Au f nahme in unsere Gemeinschaft nichts entgegen. Wie alt bist du, Ailis?«
»Sechzehn Jahre.«
»Du hast das Schmiedehandwerk gelernt, nicht wahr?«
»Bei Meister Erland auf Burg Rheinfels.«
»Dann hast du das Schwert, das du auf deinem Rücken trägst, selbst gefertigt?«
»Ja.«
»Glaubst du, du wirst eines Tages ebenso gut mit der Flöte umgehen können wie mit einem Schmiedeha m mer?«
»Gewiss.«
Er schaute sie einen weiteren Moment lang prüfend an, dann nickte er. »Ich glaube, du könntest Recht haben. Du siehst aus, als wüsstest du, was du willst.«
Meine Freundin vor dem Echo retten, dachte sie, sagte aber nur: »Ich denke schon.«
»Du willst deine Freundin vor dem Echo retten«, sagte er zu ihrer Überraschung.
Erstaunt fragte sie: »Welches Instrument spielst du, Pfeiferkönig?«
»So manches«, gab er zurück und lächelte geheimni s voll.
»Das dachte ich mir. Am besten gewiss auf den Saiten in den Köpfen der Me n schen.«
Buntvogel knuffte sie gegen den Unterarm, aber der König lachte ein weiteres Mal. »Du gefällst mir, Ailis Toröffner. Schwörst du mir, dass du niemals gegen die Gesetze unserer Zunft verstoßen wirst?«
»Ich schwöre es.«
»Und schwörst du, nie etwas zu tun, das der Zunft schaden könnte?«
»Ich schwöre.«
»Wirst du in jedem Jahr den zwanzigsten Teil deines Verdienstes an den Pfeiferk ö nig zahlen, damit er davon jene unserer Brüder und Schwestern, die vom Schicksal mit Siechtum gestraft wurden, unterstützen kann?«
»Das werde ich.«
»So sei es. Ailis Toröffner, du bist nun Mitglied der Spielmannszunft.« Er schenkte ihr noch ein herzliches Lächeln, dann winkte er sie und ihre Begleiter weiter. »Der Nächste.«
Sogleich rückten andere Spielleute nach.
Buntvogel führte Ailis an eines der Feuer, die die Lichtung in weitem Kreis umg a ben. Die sechs anderen mischten sich unter das bunte Volk. Einmal noch sah Ailis Sankt Suff, der ein halbes Dutzend Bierkrüge u m herschleppte, dann waren bis auf Buntvogel alle ve r schwunden.
Der Halbmohr setzte sich mit ihr ins Gras, einige Schritte abseits des Feuers. Er verschränkte die Hände in seinem Schoß und blickte sie aufmerksam an.
»Warum starrst du so?«, fragte sie unwirsch.
»Ich frage mich, was in dir vorgeht.«
»Ist das so schwer zu erraten?«
Feuerschein glänzte in seinen Augen. »Du siehst nicht a us, als wärest du besonders glücklich darüber, jetzt zu uns Spielleuten zu gehören.«
Sie seufzte leise. »Die anderen wollten es gerne. Ich hab’s ihnen zuliebe getan.«
»Das weiß ich. Und zumindest Jammrich weiß es auch. Aber das ist nicht wirklich das, was dich beschä f tigt, oder?«
»Nein. Natürlich nicht.«
Er
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