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Loreley

Titel: Loreley Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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in dem sich a n gebl ich das Tor nach Faerie b e fand, loderten nach wie vor Flammen. Mannshoch und ungewöhnlich weiß, so als wäre dies kein gewöhnliches Feuer. Und was hatte Ailis auch erwartet? Dass die Naddred über einem Lage r feuer Hammelfleisch brieten, wie Sankt Suff es vermutet hatte? Liebe Güte!
    Die acht Druiden standen im Kreis um das lodernde Spektakel, als hätten sie sich seit damals nicht von dort fortbewegt. Alle hatten die Arme vorgestreckt und star r ten mit weit geöffneten Augen in das zuckende Licht. Fauchend leckten die weißen Flammen zum Himmel empor, geradewegs auf den Vollmond zu, der genau über ihnen in der Schwärze glühte. Es sah aus, als wollte das Feuer ihn mit flirrenden Tentakelarmen umschlingen und hinab auf den Boden ziehen.
    »Ich weiß nicht, was sie da tun«, murmelte Jammrich, der nun gleichfalls hinsah, »aber es sieht aus, als wären sie fast am Ziel.«
    »Der Mond«, flüsterte Ailis gedankenverloren. »Er strahlt das gleiche Licht aus wie diese Flammen. Als g e höre beides irgendwie zusammen.«
    Jammrich hob die Schultern. »Zauberzeug«, bemerkte er abfällig, aber es klang nicht so gelassen, wie er bea b sichtigt hatte.
    Der Mondschein brach sich auf den Klingen der G e fährten, auch auf Ailis’ Schwert, und sie hatte plötzlich die schreckliche Befürchtung, dass das Licht die Wa f fen damit irgendwie auf seine Seite zog – auf die Seite der Naddred. Es hätte sie kaum verwundert, wenn die Kli n gen sich plötzlich gegen ihre Besitzer gerichtet hätten. Aber das waren Gedanken, die ihr die Angst eingab. Sie durfte nicht darauf hereinfallen. Wem konnte sie übe r haupt noch vertrauen, wenn nicht sich selbst und dem Schwert in ihrer Hand?
    Buntvogel wechselte Blicke mit allen Spielmännern und e iner nach dem anderen nickte knapp. Nur Jammrich nicht. Sein Gesicht blieb starr, er rührte sich nicht. Ailis stieß ihn leicht an und verzog die Mundwinkel. Es hatte ein zuversichtliches Lächeln sein sollen, aber sie spürte, dass es missglückte.
    Grundgütiger, durchfuhr es sie lakonisch, ich habe nicht einmal mehr Gewalt über mein Gesicht. Wie soll ich da erst eine Waffe führen?
    Ihre Finger krallten sich um den Schwertgriff. Je fester sie zupackte, desto weniger zitterte sie. Am liebsten hätte sie die Waffe in ihrer Hand zerquetscht, nur damit ihr Körper endlich Ruhe gab.
    Keiner wusste, wie die Naddred auf einen Angriff re a gieren würden. Schleuderten sie Blitze wie die Götter in den alten Legenden? Riefen sie Zaubersprüche, die die Angreifer lähmten und ihnen das Blut abschnürten? Oder aber – und darauf hofften die Gefährten – beanspruchte die Beschwörung des Tores so viel von ihrer Kraft, dass sie zu gewöhnlichen Gegnern wurden? Allein deshalb hatten die Freunde mit ihrem Überfall bis zur Vollmon d nacht gewartet.
    Alles in allem aber war es müßig, darüber nachzude n ken. Nicht mehr lange, und sie würden die Antwort auf ihre Fragen bekommen.
    Die Luft um Ailis schien sich zusammenzuziehen und wieder auszudehnen, wie ein Atemzug der schlafenden Welt.
    Buntvogel gab das Zeichen zur Attacke.
    Mit einem wilden Aufschrei sprangen die Spielmänner aus ihren Verstecken, schwangen ihre Klingen hoch über den Köpfen, brüllten Verwünschungen und Drohu n gen, stürmten vorwärts durch die Ruinen.
    Jammrich und Ailis schrien nicht, aber sie waren mi t ten unter ihren Gefährten, und auch ihre Klingen blitzten angriffslustig. Lärmend stürzte die Meute auf die Naddred zu, während die weißen Flammen aus dem Schacht immer höher züngelten, dem Mond und der Ve r einigung mit seinem Licht entgegen. Was würde gesch e hen, wenn die Spitzen des Feuers ihn berührten? Wurde dadurch eine magische Verbindung gescha f fen, ein Pakt zwischen Himmel und Erde, der die Tore zwischen den Welten aufriss, auch das nach Faerie?
    Das Wie hatte längst an Bedeutung verloren. Es ging nicht mehr darum zu verst e hen, was die Naddred taten. Alles, worauf es ankam, war, ihr Vorhaben zu vereiteln. Wenn es gelang, sie davon abzuhalten, das Tor zu öffnen, würde es gewiss kein Bün d nis mehr zwischen ihnen und dem Echo geben.
    Noch fünf Schritte, dann würden Buntvogel und Springsfeld an der Spitze der Gaukler die vorderen Naddred erreichen. Der Kreis der Druiden war auseina n der gebrochen. Die Vermummten fuhren mit flatternden Kapuzenmänteln herum, wandten sich den Angreifern entgegen. Ailis erkannte jenen mit dem Geschwür am Hals wieder. Aus seinem Blick sprach

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