Loreley
sanft.
Seine Zweifel schwinden, dachte sie zufrieden. Einen Moment lang sehnte sie sich nach seiner Umarmung, nach dem Druck seiner Lenden, dem Augenblick der Verein i gung.
Er ist glücklich, dachte sie, er vertraut mir. Das ist gut. Es ist schön, dass er glüc k lich stirbt.
Sie alle sollen glücklich sterben, in Gedanken bei i h rem armseligen Gott der F i scher und Zimmermänner.
Der alte Einsiedler hinter dem Altar brachte es nicht über sich, ihren Blick zu kre u zen. Heiser stimmte er das erste Lied an. Die Menge fiel in seinen Gesang mit ein.
Fee sang mit ihnen, sang lauter und kräftiger als alle anderen. Aber ihr Lied folgte einer fremden Melodie, und die Worte stammten aus keiner bekannten Sprache.
Es dauerte nicht lange, da sang sie allein.
7. Kapitel
Vollmond.
Weißes Licht ergoss sich über den Lurlinberg. Erh a ben lag er in nächtlichem Schlummer, blickte stumm auf die Stromschnellen und das dunkle, bewaldete Ufer hi n ab.
Glühende Augen starrten aus Sträuchern und Unte r holz, in der Finsternis raschelten Krallen auf Fels. Das Leben war hierher zurückgekehrt, aber es war Leben, das nur im Dunkeln gedieh. Nächtliche Jäger auf der Pirsch, eine Eule im Geäst eines Baumes. Käuzchen schrien, Grillen schnarrten, und der Wind flüsterte leise in Zwe i gen und Laub.
Am Ostrand des Hochplateaus schien die Luft zu g e rinnen. Der Hauch einer rätse l haften Melodie verwehte. Acht Gestalten standen plötzlich am Fuß einer Fichte.
Ailis spürte, wie der Schmerz durch ihre Beine raste, verschwendete aber keinen Gedanken daran. Diesmal geriet sie nicht mehr aus dem Gleichgewicht, vielleicht, weil ihr Körper gespannt war wie die Sehne eines Kat a pults.
In den vergangenen Tagen hatte sie abwechselnd mit Schwert und Flöte geübt. Das Schwert führte sie besser als jeder der sieben Spielleute, obgleich Springsfeld und Buntvogel ihr mit ihren kurzen Dolchen überlegen w a ren.
Was ihr Flötenspiel anging, so hatte sie dazugelernt. Sie wusste jetzt, welcher Ton mit welchem Griff erzeugt wurde, und es gelang ihr, aus dem Kopf eine einfache, kindliche Melodie zu spielen. Dennoch brachte sie die Töne nur langsam und stockend zu Stande und viel zu oft verspielte sie sich. Was Temperament und Tempo a n ging, würde sie nie mit ihren Gefährten mithalten kö n nen.
Wer weiß, dachte sie, vielleicht wirst du nicht einmal diese Nacht überleben. Und du machst dir Gedanken übers Flötespielen!
Die Ruinen auf der Westspitze des Berges waren etwa zweihundert Schritte en t fernt. Mondlicht schimmerte wie Schnee auf den Rändern der Mauerreste und Felsbl ö cke. Im Hintergrund, an der äußersten Kante des Plateaus, flackerte Feuerschein, aber er war zu weit weg, um G e naueres auszumachen.
»Was tun die da?«, fragte Springsfeld.
Sankt Suff schnaubte und rieb sich den Bauch. »Br a ten sich wahrscheinlich ein paar Hammelbeine.«
»Kannst du an irgendetwas anderes denken als ans Fressen und Saufen?«, zischte Buntvogel in die Richtung des Dicken.
»Ich könnt’s dir sagen«, brummte Sankt Suff. »Aber es ist eine Dame in unserer Mitte.«
»Seid still!«, fuhr Jammrich die Männer im Flüsterton an. Er hatte sich bis zuletzt gegen einen Sprung zum Lu r linberg gewehrt, und obwohl die anderen ihn schließlich überredet hatten, war ihm anzusehen, wie unwohl er sich fühlte. Während die übrigen sich die Instrumente auf den Rücken banden und nach ihren Waffen griffen, war Jammrich sichtlich unentschlossen. Er hielt die Sackpfe i fe fest umklammert, um notfalls schnell von hier ve r schwinden zu können; zugleich aber schien er sich nach seiner Klinge zu sehnen, auch wenn er keineswegs übe r zeugt war, damit etwas gegen die Naddred ausrichten zu können. Letztlich war es eine Entscheidung zwischen Verteidigung und Angriff, und im Umgang mit den Dr u iden glaubte er weder an das eine noch das andere, daran hatte er während der endlosen Gespräche im Wirtshaus keinen Zwe i fel gelassen.
Obwohl Ailis von Anfang an vor den Naddred g e warnt hatte, war nicht sie es gew e sen, die vorgeschlagen hatte, sich den Druiden entgegenzustellen. Buntvogel hatte die anderen überzeugt, und mit Ausnahme Jam m richs waren alle sogleich Feuer und Flamme gewesen. Für die Spielmänner war das alles nur ein Abenteuer mehr, von dem sie hofften, es später auf ihren Reisen besingen zu können.
Im Gegensatz zu ihnen wusste Jammrich um die Macht der Naddred, und so waren Ailis und er die einz i gen, denen die Furcht
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