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Loreley

Titel: Loreley Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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nicht geschaffen war. Sie würde nach sp ä testens zwei Tagen alles von sich werfen, in ihre Gem ä cher fliehen und sich auf ihren Decken aus Orientstoffen die Augen ausheulen. Sie war eben anders als Ailis, und vielleicht war es ganz gut, dass das vergangene Jahr diese Unterschiede so deutlich ans Licht gebracht hatte. Auch Fee musste allmählich lernen, mit sich selbst zu leben.
    Fees Schlafgemach war nach dem der Gräfin das grö ß te und schönste im ganzen Weiberhaus. Es gab einen h o hen Schrank aus Eichenholz, dessen Türen Fee selbst mit einem Pflanzenmuster bemalt hatte, einem Efeu, besetzt mit fantastischen Blüten in Form von Tierköpfen. Auf derlei verstand sie sich recht gut, wie auch auf Stickere i en und das Entwerfen prächtiger Kleider. Womit sonst sollte sie sich auch die Zeit vertre i ben? Neben der Tür stand eine Truhe mit gewölbtem Deckel, der Fußboden war mit Teppichen aus dem Heiligen Land bedeckt. Fees Bett war von hellen Gardinen umgeben, halb durchsic h tig. An seinem Fußende stand eine gepolsterte Bank, auf der Fee sich von ihren Zofen entkleiden ließ. Die Dien e rinnen bestreuten das Bett im Frühjahr und Sommer mit Blüten, die einen herrlichen Duft verbreiteten. Zudem besaß sie ein kunstvolles Heiligenbild auf einem kleinen Altar, vor dem sie auf Wunsch ihres Onkels jeden Mo r gen und Abend ein Gebet sprach, außerdem eine stattl i che Sammlung ve r zierter Kästchen, in denen sie allerlei Geschmeide, aber auch Farben, Nähzeug und ein paar geheime Dinge aufbewahrte. Gleich am Fenster saß ein Kanarienvogel in einem Käfig, aufgeplustert und ve r schlafen.
    Es klopfte an der Tür. Fee legte ihre Bürste beiseite und wandte sich vom Fenster ab. Ehe sie etwas sagen konnte, wurde die Tür bereits geöffnet und ihre Tante trat ein. Die Gräfin war in ihrer Jugend eine schöne Frau g e wesen, doch in den letzten Jahren war ihr Gesicht vorze i tig gealtert. Noch immer wandte sie viel Zeit für ihre Leibespflege auf, und ihr rabenschwarzes Haar war sä u berlich hochgesteckt und mit goldenen Spangen g e schmückt. Ihr rotes Kleid schwebte wolkig über dem B o den, als würden ihre Füße kaum die Dielen berühren.
    »Ja, bitte?«, fragte Fee betont kühl und unterstrich damit ihren Zorn über das ung e betene Eindringen ihrer Tante.
    »Ich muss mit dir reden«, sagte die Gräfin. »Dein O n kel ist sehr ungehalten.«
    »Worüber?« Fee war plötzlich unwohl zu Mute. Sie war daran gewöhnt, dass ihre Tante sie für etwas rügte, doch wenn sogar der Graf erzürnt war, verhieß das nichts Gutes. Sie ahnte bereits, um was es ging.
    »Man hat dich gesehen, als du das Zimmer über dem Rittersaal verlassen hast«, sagte die Gräfin und blickte sie scharf aus ihren hellgrünen Augen an. Fee hatte sie oft um diese Farbe beneidet. »Was hattest du dort zu s u chen?«
    »Mir war nicht bewusst, dass es der Nichte des Grafen verboten ist, gewisse Zimmer zu betreten«, gab sie z u rück und hoffte, dass die Schärfe in ihrer Stimme übe r zeugend klang.
    Die Gräfin verzog einen Mundwinkel zu einem schi e fen Lächeln. »Wir wissen doch beide, was du in dem Zimmer getan hast, nicht wahr?«
    »Sag es mir.«
    »Sei nicht unverschämt, junge Dame.«
    »Junge Dame!«, wiederholte Fee verächtlich, steckte einen Finger durch das Gitter des Vogelkäfigs und krau l te dem zahmen Tierchen die Brust.
    »Du hast gelauscht«, sagte die Gräfin, »durch ein Loch im Boden.«
    Fee riss den Kopf herum. Ihr langes Haar flog gegen das Käfiggitter. »Warum lässt du mich nicht einfach in Ruhe, Tante? Kümmere dich um all die sonderbaren Dinge, die du in deiner Kemenate treibst, aber lass mich in Frieden. Sprich mit deinen Elfen und Geistern und Kobolden, aber bilde dir nicht ein, du müsstest dich ei n mal am Tag als meine Mutter aufspielen. Denn das bist du nicht!«
    Die Gräfin trat bis auf Armlänge an sie heran. Es war erstaunlich, wie viel Kälte sie in das eindringliche Grün ihrer Augen zu legen vermochte. »Du machst es dir sehr einfach, mein Kind. Ich bin nicht deine Mutter, und vie l leicht habe ich mir nie große Mühe gegeben, dir eine zu sein. Aber du kannst nicht jeden deiner Fehler damit en t schuldigen, dass deine wahre Mutter tot und dein Vater davongelaufen ist. Meinst du nicht, es ist an der Zeit, selbst ein wenig Verantwortung für dein Handeln zu überne h men?«
    Die Worte trafen Fee weit mehr, als sie zugeben wol l te, und sie bemühte sich, ihre Gefühle zu verbergen. Trotzdem sah sie der

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