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Loreley

Titel: Loreley Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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fortan wie eine Erwachsene beha n deln. Natürlich! Das alles war ihre Idee gewesen. Ihre Idee ganz allein!
    Die Sitte, nach der die älteste Tochter verpflichtet war, mit den Gästen des Hauses das Bett zu teilen, war uralt und wurde von Generation zu Generation weitergegeben. Das Mädchen durfte dabei weder berührt noch allzu b e gehrlich angesehen werden; es sollte dem Gast nur G e sellschaft leisten und mit seiner Nähe sein Lager wä r men. Es war üblich, dass der Gast vorab einen Eid leist e te, die guten Sitten zu wahren. Ritter legten gar ihr bla n kes Schwert zwischen sich und ihre Bettgenossin.
    All das vermochte nichts an Fees Unwillen zu ändern. Sie hatte gehörige Zweifel, dass der wildfremde Ritter es mit der Enthaltsamkeit so genau nehmen würde, wie es von ihm erwartet wurde. Allzugut war ihr noch das Bild des Jungen im Kopf, der ihr über den Hof nachlief und ihr lachend aufs Hinterteil schlug.
    »Wie könnt ihr das von mir verlangen!«, empörte sie sich und gab ihre Demut en d gültig auf. »Ich kenne diesen Baan kaum. Ich meine, nicht einmal ihr kennt ihn wir k lich! Wie kann ich da.«
    »Fee!«, wurde sie scharf von ihrem Onkel unterbr o chen. »Baan ist der Sohn meines ältesten und besten Freundes. Er ist ein Mann von Ehre, daran gibt es nicht den leisesten Zweifel.«
    »Dein ältester und bester Freund ist seit Jahren tot. Du weißt doch gar nicht, wie sich sein Sohn seither – «
    Abermals wurde ihr das Wort abgeschnitten. »Heilmar von Falkenhagen ist tot, g e wiss.« Der Graf erhob sich und stützte sich mit geballten Fäusten auf die Tischkante. »Aber die Freundschaft zu ihm ist mir auch nach seinem Tode heilig, und ich habe sie an seinen Sohn weitergeg e ben. Baan ist ein hervorragender Kämpfer, ein guter Christ und ein Vorbild an Anstand und Würde. Ich werde nicht zulassen, dass du ihn unter meinem Dach bele i digst!« Er deutete mit ausgestrecktem Arm zur Tür. »Und nun geh! Kleide dich in dein schönstes Nachtg e wand und sei ihm eine Gesellschafterin, die meines Ha u ses würdig ist.«
    Darauf gab es nichts zu erwidern. Ihr Onkel würde keinen weiteren Widerspruch dulden. Einen Moment lang überlegte sie noch, ob sie irgendeinen Grund erfi n den sollte, der es ihr unmöglich machte, Baans Bett zu teilen – Blutungen vielleicht oder ein widerwärtiger Au s schlag im Schritt. Doch in so gereizter Stimmung war ihr Onkel in der Lage, an Ort und Stelle den Beweis dafür zu fordern, und diese Blöße wollte sie sich nicht geben, um nichts in der Welt.
    Sie mochte die Dinge drehen und wenden wie sie wollte – es war wohl an der Zeit, sich ihre Unterlegenheit einzugestehen.
     
    Der Wind heulte im Kamin des Gästezimmers wie ein beleidigtes Kind, und irgendwie, fand Fee, gab das ganz gut ihre eigene Stimmung wieder. Die kniehohen Fla m men knisterten und verbreiteten einen angenehmen Duft nach exotischen Kräutern. Die Dienerinnen mussten, g e wiss auf Anweisung der Gräfin, etwas ins Feuer gestreut haben. Irgendein Kraut, das die männlichen Säfte in Wa l lung brachte, vermutete Fee naserümpfend.
    Dies war keineswegs die einzige Gemeinheit, die sie ihrer Tante an diesem Abend unterstellte, obwohl sie in s geheim sehr wohl wusste, dass nicht ein Bruchteil davon der Wahrheit entsprach.
    Es war nun einmal Fees Pflicht, die alten Sitten zu achten, daran gab es keinen Zweifel, und wenn die G e setze der Gastfreundschaft ihr eine Nacht in Baans Zi m mer auferlegten, nun, dann musste sie wohl gehorchen. Der Gräfin war es vor vielen Jahren gewiss ganz ähnlich ergangen, und wahrscheinlich hatte sie sich mit dem gleichen Widerwillen gefügt, den Fee empfand.
    Doch eine tückische Stimme in ihrem Hinterkopf ließ nicht locker: Die Hexe wird den Erstbesten verführt h a ben, der zu ihr ins Bett stieg, ja, das passt zu ihr!
    Aber natürlich war das Unsinn. Fee überprüfte zum dritten Mal die Glut in der Bettpfanne und wünschte sich dabei, dass Baan sich daran die Finger und manch and e res edle Körperteil verbrennen würde. Bislang hatte sich der Ritter nicht blicken lassen, Fee war ganz allein im Zimmer. Er musste noch im Badehaus sein, wo die Di e ner des Grafen sich seiner annahmen. Gut, immerhin würde er nicht nach Pferden und Männerschweiß sti n ken!
    Fee lief im Zimmer auf und ab, aufgeregter als sie es wahrhaben wollte, schaute mal aus dem Fenster in die Nacht und dann wieder in das flackernde Kaminfeuer. Nur die Nähe der Tür mied sie; sie wollte nicht, dass Baan plötzlich

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