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Loretta Chase

Loretta Chase

Titel: Loretta Chase Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eine verführerisch unnahbare Lady
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zurückzuversetzen.
    Zuerst traf
er auf Lady Lithby, die gerade mit dem Stuckateur sprach – einem Mann namens
Tyler, wenn Darius sich recht
erinnerte. Nachdem der Arbeiter seine Anweisungen erhalten hatte und gegangen
war, gesellte Darius sich zu ihr.
    Nach den
üblichen Höflichkeiten fragte er betont beiläufig: »Ist Lady Charlotte zufällig
zugegen? Ich wollte mich mit ihr wegen der Ablaufrinne der Molkerei
beraten.«
    Lady
Lithbys dunkle Brauen hoben sich. »Die Ablaufrinne? Dann sind Sie also hinter
ihr kleines Geheimnis gekommen.«
    »Sie
meinen, dass sie weitaus intelligenter ist, als sie sich den Anschein
gibt?«, fragte er nach. »Oder dass sie mindestens genauso viel über die
Verwaltung eines Anwesens weiß wie ein Mann? Oder gibt es womöglich noch ein
Geheimnis, das ich möglichst schnell herausfinden sollte, wenn mir mein Leben
lieb ist?«
    Lady Lithby
lachte. »Ich hätte es wissen sollen, dass Sie ihr schnell auf die Schliche
kommen – und es so leicht nehmen«, meinte sie. »Der durchschnittliche
Gentleman tut sich damit für gewöhnlich etwas schwerer. Offenbarte sie ihm gegenüber
ihr Wissen, würde er sie nur gönnerhaft bevormunden und belächeln.«
    So wie ich,
dachte Darius.
    »Charlotte
hat sich angewöhnt, den Unterhaltungen der Gentlemen zuzuhören und sich jede
Bemerkung zu verkneifen, obwohl sie gerade ebenso viel über die Landwirtschaft
weiß wie sie.«
    »Mir
gegenüber hat sie einige Bemerkungen gemacht«, sagt Darius. »Ich war ...
überrascht.« Ganz zu schweigen von kindisch, engstirnig, anmaßend und ganz
allgemein abscheulich.
    »Es ist
nicht gar so überraschend, wenn man bedenkt, wer ihr Vater ist und wie sie
aufgewachsen ist«, sagte Lady Lithby. »Lange Zeit war Charlotte praktisch
der Sohn.« »Der Sohn«, wiederholte er, und verstand auf einmal alles.
Dank der geschwätzigen Mrs. Steepleton wusste er, dass Lady Charlotte bis zum Alter
von zwanzig Jahren das einzige Kind Seiner Lordschaft gewesen war, denn die
erste Lady Lithby war bald nach der Geburt invalide geworden. Da somit wenig
Aussicht auf einen Sohn und Erben bestanden hatte, musste Lord Lithby seine
Tochter an Sohnes statt erzogen haben.
    Folglich
hatte sie Darius' Meierei ganz selbstverständlich mit den
Augen eines Mannes betrachtet, ihr Potenzial erkannt und den Profit erwogen,
Kosten gegen Gewinn aufgerechnet.
    Kein
Wunder, dass sie so zufrieden gewirkt hatte. Sie hatte unter dem Schmutz und
Gerümpel das brachliegende Potenzial erkannt und sich an die Arbeit gemacht.
Als er sie gestern in der Meierei angetroffen hatte, war sie stolz auf sich
gewesen und hatte sich am Ergebnis ihrer Arbeit gefreut – zu Recht, denn sie
hatte mit ihrer Einschätzung absolut richtiggelegen.
    Darius
plagte das schlechte Gewissen, und auch die Logik konnte seine Gewissensnöte
nicht lindern. Er, der er sich so viel einbildete auf seine Intelligenz, seine
Objektivität, hatte sich benommen wie der dümmste, unreifste Mann der Welt.
    War es das,
was sein Vater in ihm sah? Intellektuelle Überheblichkeit? Unreife?
Engstirnigkeit?
    Er wurde
aus seinen misslichen Gedanken gerissen, als ein blonder Junge – vermutlich
einer der Lehrlinge – auf sie zugerannt kam. Seine Kappe in der Hand, blieb er
wie angewurzelt vor ihnen stehen und wurde rot. Er verbeugte sich vor Lady
Lithby, dann vor Darius. Sichtlich verunsichert schaute er sich um und
knautschte unablässig seine Kappe in den Händen. Allem Anschein nach hatte er
sich verlaufen. Ebenso offensichtlich wagte er nicht, sie ohne Erlaubnis
anzusprechen.
    »Ja?«,
sagte Lady Lithby und lächelte freundlich.
    Derart
ermuntert, sprudelten die Worte nur so aus ihm hervor: »Bitte um Verzeihung,
Euer Ladyschaft, aber ich bin Pip, Mr. Tylers Lehrling. Man hat mir gesagt,
dass er mich ganz dringend suchen würde, und dass er hier bei Ihnen wäre.«
»Er ist gerade nach oben gegangen«, sagte sie. »In das große Schlaf
gemach.« Sie erklärte ihm, wie er dorthin gelange. Der Junge verbeugte
sich und eilte in die ihm gewiesene Richtung davon.
    »Das große
Schlafgemach?«, fragte Darius. Er hatte doch ausdrückliche Anweisungen
gegeben, dass niemand sein Zimmer betreten dürfe. »Ich dachte ...«
    »Ich weiß,
ich weiß«, unterbrach ihn Lady Lithby. »Wir hätten es in Frieden lassen
sollen. Aber haben Sie mal gesehen, in welch
schlechtem Zustand sich die Decke befindet?«
    Natürlich
hatte Darius das herabfallende Stück Stuck nicht vergessen, das beinah Goodbody
erschlagen hätte.

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