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Loretta Chase

Loretta Chase

Titel: Loretta Chase Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eine verführerisch unnahbare Lady
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wage
ich zu bezweifeln«, sagt sie.
    »Sie
denken, dass es viel einfacher wäre, eine reiche Erbin zu heiraten. Aber
verstehen Sie denn nicht, dass genau darin das Problem liegt? Heirat wäre
eindeutig der leichtere Weg. Ob mein Vater nun hohe Erwartungen an mich stellt
oder nicht, ich würde ihn und auch mich selbst enttäuschen, wenn ich das hier
nicht schaffe.« Was sollte sie ihm erwidern – sie, die nur zu gut
verstand, was er meinte, die sich allzu sehr bewusst war, wie es sich anfühlte,
wenn man den Erwartungen genügen und niemanden enttäuschen wollte?
    »Ich
verstehe Sie durchaus«, sagte sie. »Folglich werde ich das Mobiliar unter
wirtschaftlichen Gesichtspunkten betrachten und ästhetische oder sentimentale
Erwägungen außer Acht lassen.«
    Er
entspannte sich sichtlich. »Nur nicht bei dem Fächer für Großmutter«,
sagte er und stieß sich von der Fensterbank ab. »Nur nichts annähernd Praktisches
für sie. Schön muss er sein. Und einzigartig.«
    »Ja, Mr.
Carsington, ich habe verstanden«, sagte sie.
    Sie
verstand viel zu viel. Wie viel besser wäre es um ihr Herz bestellt, hätte sie
ihn nicht so nah an sich herangelassen. Je mehr sie wusste, desto mehr fühlte
sie sich zu ihm hingezogen und wollte sich ihm anvertrauen, wie er sich ihr
anvertraut hatte. Oh, wie verzweifelt sie sein musste, dass es so weit mit ihr
hatte kommen können! Verzweifelt, verwirrt und einsam.
    Die
drohende Gesellschaft mit den heiratstauglichen Gentlemen ... der Junge ...
dieser Mann.
    Sie
wünschte, sie könnte ihrem Leben entfliehen, nur für kurze Zeit, um wieder
einen klaren Kopf zu bekommen und alles wieder an seinen Platz zu verweisen,
was so in Unordnung geraten war.
    Aber das
konnte sie natürlich nicht und würde sich deswegen damit begnügen müssen,
Ordnung in das Mobiliar zu bringen. Mit einer ungeduldigen Geste entließ sie
Mr. Carsington. »Überlassen Sie das nur mir«, sagte sie. »Und stellen Sie
sich weiter Ihrer Herausforderung.«
    Charlotte
hatte sich sogleich den Möbeln widmen wollen, aber die geheimnisvolle Truhe mit
all ihren Erinnerungen aus längst vergangener Zeit zog sie unwiderstehlich an.
Seine Großmutter und Lady Margaret waren ungefähr im gleichen Alter, und sie
wusste, dass die Dowager Lady Carsington sich eine Vorliebe für die Moden und
Manieren ihrer Jugend bewahrt hatte. Es hieß, dass sie Gäste in ihrem Boudoir
empfing – im Morgenmantel, wie Damen es zu Zeiten Georges II. zu tun pflegten.
Und so machte Charlotte es sich abermals auf einem Kissen vor der Truhe bequem
und begann sie auszuräumen und den Inhalt zu sichten. Diesmal jedoch blieb sie
am Boden der Truhe mit dem Finger an etwas hängen. Sie spähte hinein und
entdeckte eine Schlaufe aus feinem Band. Vorsichtig zog sie daran.
    Der Boden
der Truhe hob sich. Der doppelte Boden.
    Darunter
lagen mit einem verblichenen Band gebündelte Briefe. Ein kleines Buch. Und die
Miniatur eines gut aussehenden Mannes in Uniform.
    Charlotte
schlug das Buch auf.
    Sie begann
zu lesen.
    Sie las und
las, Seite um Seite. Dann fing sie an zu weinen.
    Darius saß
an seinem Schreibtisch und starrte verdrossen in eines der Hauptbücher, als ein
Geräusch ihn aufblicken ließ. Der Junge – Pip – stand an der Tür und schaute
sehr besorgt drein. Neben dem Jungen stand die Bulldogge und schaute sehr
besorgt zu ihm auf. Oder vielleicht bildete Darius sich das auch nur ein.
    »Was
ist?«, fragte er. »Ist jemand von der Leiter gefallen und hat dir die
Schuld gegeben?«
    »Nein, Sir.
Ich bin auch nur hier, weil Daisy einer Katze hintergejagt ist, die im Haus
verschwunden ist, und ich hatte Angst, dass jemand über sie oder die Katze
stolpern oder dass sie was umwerfen würden. Dürfte ich hereinkommen, Sir?«
    Ungeduldig
winkte Darius ihn herein. Beziehungsweise winkte sie beide herein, denn Daisy
folgte dem Jungen auf Schritt und Tritt, als wäre sie an seinem Knöchel angebunden.
    Der Junge
schloss die Tür hinter sich und kam zum Schreibtisch geschlichen. »Sir«,
sagte er leise. »Es ist wegen der Dame von Lithby Hall. Der jüngeren
Dame.«
    Darius'
Herz raste. »Ist sie von einer Leiter gefallen?«
    »Nein, Sir.
Sie weint.«
    »Sie
weint«, wiederholte Darius verständnislos. Als er sie vorhin allein in dem
Zimmer zurückgelassen hatte, war sie ihm eigentlich ganz munter erschienen.
Wohl wahr, sie hatten ein recht seltsames Gespräch geführt, das weitaus
persönlicher gewesen war als jedes Gespräch, das er jemals mit jemandem geführt
hatte.

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