Loretta Chase
sie geschehen zu sein. Er war nett
zu Kindern und zu Hunden und
zu ihr, und er haderte mit seinem Vater, wie andere Söhne auch. Auch war er
sich seiner nicht immer gewiss, war nicht immer kühl und rational. Letztlich
war auch er ein Mensch, ein Mann, mit dem sie erstaunlich gut reden konnte. Ein
Mann, der leider auch ein Wüstling war. Aber was sollte sie tun? Letztlich war
auch sie nur ein Mensch.
»Mein Vater
erwartet von mir, dass ich Beechwood binnen eines Jahres wieder profitabel
gemacht habe«, erklärte er. »In landwirtschaftlicher Hinsicht deuten sich
erste Erfolge an, aber die Instandsetzung des Hauses ...« Er verstummte
mit einem Achselzucken.
Ungläubig
starrte sie ihn an. »Ein Jahr?«
»Er möchte,
dass ich selbst für mich sorgen kann«, sagte er.
»Das ist
nicht ungewöhnlich und durchaus verständlich«, fand sie. »Jüngere Söhne
können eine ziemliche finanzielle Belastung sein. Aber nur ein Jahr ...«
»Oder
Heirat«, sagte er. »Eine reiche Mitgift wäre die Alternative.«
»Aber Sie
sind einer Heirat abgeneigt«, sagte sie.
»Ich würde
es nicht abgeneigt nennen«, sagte er.
»Dann eben
nicht bereit.«
Darauf
antwortete er nicht sogleich. Er trat an das Fenster, an dem sie neulich
gesessen und versucht hatte, sich zu beruhigen. Sie erinnerte sich genau, wie
er neben ihr gesessen hatte, wie er gewartet, sie beobachtet hatte ... wie
besorgt er gewesen war.
Er blickte
auf die sonnenbeschienene Landschaft hinaus. Dann drehte er sich wieder um und
sah sie an. »Ich bin mit Sinn und Zweck der Ehe vertraut«, sagte er. »Die
Ehe ist eine der vernünftigeren Konventionen unserer Gesellschaft. Sie basiert
auf den Gesetzen der Natur und ist sowohl von wirtschaftlichem als auch gesellschaftlichem
Nutzen. Theoretisch bietet sie Frauen den nötigen Schutz, um Nachkommen zu
gebären und aufzuziehen. Sie ist ein geeignetes Mittel, Besitzstand zu wahren
und sicherzustellen, dass er an die eigenen männlichen Nachkommen übergeht. Im
Tierreich lässt sich Ähnliches beobachten. Die meisten Männchen bedienen sich
vergleichbarer Methoden – oft in sehr rüder Weise –, um ihren Samen
weiterzugeben und die Zukunft ihrer Nachkommen zu sichern.«
»Und da von
einem menschlichen Männchen niemand Monogamie erwartet«, ergänzte sie,
»unterscheidet der Ehestand sich daher in der Praxis kaum vom
Junggesellendasein.«
»Genau«,
sagte er. »Mit anderen Worten: Der Ehe als solcher bin ich nicht grundsätzlich
abgeneigt.«
»Trotzdem
haben Sie sich lieber auf diese absolut unmögliche Aufgabe eingelassen«,
sagte sie.
»Sie ist
nicht unmöglich«, erwiderte er.
»Vielleicht
nicht unmöglich, aber doch so gut wie«, sagte sie. »Es dürfte schwer für
Sie werden.«
»Ich hatte
auch nicht erwartet, dass es einfach sein würde«, entgegnete er. »Wäre es
einfach, hätte mein Vater es mir nicht vorgeschlagen.«
Es würde
weitaus schwerer sein, als eine reiche Braut zu finden, dachte sie. Jungen
Damen den Kopf zu verdrehen war eine seiner leichtesten Übungen, und seine
guten Verbindungen würden alle elterlichen Bedenken zerstreuen. Hielt nicht
sogar ihr eigener Vater Mr. Carsington für heiratstauglich? Ihre zur
Hausgesellschaft geladenen Cousinen würden vor Verzücken in Ohnmacht fallen,
wenn er ihnen auch nur die geringste Aufmerksamkeit schenkte.
Selbst sie,
die Männer weitaus besser verstand, als jede von ihnen jemals verstehen würde,
kam nicht umhin, sich gelegentlich zu wünschen, dass ihre Vergangenheit nichts
weiter als ein schlechter Traum wäre und sie sein Herz gewinnen könnte. Es mit
wahrhaft ernsten Absichten gewinnen könnte.
Wenn, wenn,
wenn.
Vernünftiger
war es, sich einigen Kalkulationen zuzuwenden. »Sie verfügen über Unmengen
hervorragenden Nutzholzes, und das Gehöft ist schon wieder in Betrieb«,
begann sie munter aufzuzählen. »Auch die Meierei dürfte eine ordentliche Summe
erwirtschaften. Vom Verkauf des Silbers oder einer Versteigerung der Gemälde
rate ich ab, solange es nicht unbedingt nötig ist. Allerdings besteht kein
Anlass, sämtliches Mobiliar zu behalten. Gerade einige der massiven Stücke aus
Schmiedeeisen ließen sich bestimmt zu einem guten Preis an
einen Eisenhändler verkaufen. In gewissen Kreisen ist es gerade sehr en vogue,
sich mittelalterlich anmutende Burgen bauen und dazu ein eigenes Wappen
schmieden zu lassen.« Sie schaute sich um. »Sie könnten es schaffen, aber
es dürfte eng werden.«
»Ich weiß
genau, was Sie denken«, sagte er.
»Das
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