Loretta Chase
Finger gewickelt – einschließlich des garstigen alten
Mannes –, wenn du dich nicht mit dem Diener geprügelt hättest«, meinte
sie. »Wenn ihr euch schon prügeln musstet, hättet ihr nicht wenigstens diskret
unten im Dienstbotentrakt bleiben können?«
»Er ist
davongelaufen, der Feigling«, sagte Benedict. »Und ich war nicht gerade
versöhnlich gestimmt. Ich bin mit höllischen Kopfschmerzen aufgewacht und
musste dann feststellen, dass jemand mein Geld und meine Kleider gestohlen hat
– stell dir das mal vor.«
Er atmete
tief durch, ehe er fortfuhr: »Es ist ganz offensichtlich, was sich abgespielt
hat. Mich betrunken zu machen und dann über mich herzufallen gehörte zu deinem
hinterlistigen Plan. Wahrscheinlich hast du geglaubt, mir wäre nach den Ausschweifungen
der Nacht zu elend und schwach, um dich zu verfolgen. Oder ich käme niemals
darauf, wo du zu finden wärst. Allem Anschein nach hältst du mich für einen
Idioten.«
»Nur der
erste Teil, das Betrunkenmachen, war Absicht«, versicherte sie ihm. »Das
Problem war, dass ich selbst mehr getrunken hatte, als beabsichtigt, weil du
wirklich verdammt viel verträgst. Ich habe dich verführt, weil ich nicht mehr
wusste, was ich tat. Und ja, ich finde, dass du dich wie ein Idiot verhalten
hast. Deine Lust hat dir den Verstand umnebelt. Fast hättest du den DeLuceys
gesagt, wer du bist, nicht wahr? Hätte ich dich nicht unterbrochen, würdest du
sie mit einem deiner vernichtenden Wer-seid-ihr-unbedeutenden-Geschöpfe-Blicke
bedacht und gesagt haben: ,Ich bin Rathbourne.'«
Sie ahmte
ihn derart überzeugend nach, dass er sich alle Mühe geben musste, weiter
finster dreinzuschauen.
»Du hast
ihnen schließlich auch gesagt, wer du bist«, wandte er ein. »Du hast dich
– beziehungsweise deinen Ruf – in Gefahr gebracht. Du bist ruiniert, wenn
herauskommt, dass ich gar nicht dein schwachsinniger Bruder Derek bin.«
Fast hätte
er wieder einen Lachanfall bekommen, als er sie das hatte sagen hören. »Ich bin
schon ruiniert«, meinte sie. »Vom Tag meiner Geburt an war ich
ruiniert.«
»Und was ist mit Olivia?«, fragte er. »Was soll aus ihrer
Zukunft werden?«
»Hier hat
sie keine Zukunft«, sagte sie. »Ich war verblendet, das zu glauben. Wenn
ich möchte, dass sie Aussicht auf ein anständiges Leben hat, werde ich mit ihr
ins Ausland gehen müssen, wo der Name Bathsheba Wingate niemandem etwas
bedeutet.«
»Ist es
denn zu fassen, dass du sie demselben unsteten Leben aussetzen willst, welches
du wieder und wieder verurteilt hast!«, stieß er wütend hervor – und
zuckte sogleich zusammen, denn er war laut geworden, was seinem Kopf gar nicht
gefiel. Seine Stimme hallte höchst schmerzhaft in seinem Schädel wieder.
»Im
Gegensatz zu dir stelle ich mich den Tatsachen«, erwiderte sie kühl. »Du
tust so, als wäre dies alles hier für dich normal. Doch es sind nur ein paar
Tage deines Lebens, eine amüsante kleine Abwechslung vielleicht. Du bist wieder
ausgerissen, so wie früher. Nur, dass du jetzt kein kleiner Junge mehr bist und
dich bei deiner Rückkehr den Konsequenzen deines Abenteuers wirst stellen
müssen. Und zurückkehren musst du, Rathbourne. Ich kann England den Rücken
kehren. Du nicht.«
»Das wirst
du nicht tun«, beschied er. »Ich werde es nicht zulassen.«
»Ich
wünschte«, entgegnete sie, »du würdest nicht stets vergessen, dass wir
nicht mehr im Mittelalter leben und ich nicht deine Leibeigene bin.«
»Deshalb
muss ich noch lange nicht zulassen, dass du meinetwegen zur Märtyrerin
wirst«, sagte er.
»Ich
gedenke nicht ...«
»Wäre ich
als jüngerer Sohn geboren, wäre ich wohl Anwalt geworden«, unterbrach er
sie. »So wie es ist, nehme ich dennoch an zahlreichen Gerichtsverhandlungen
teil. Dabei habe ich
gelernt, eins und eins zusammenzuzählen. Dein Motiv ist ganz offensichtlich,
mein Mädchen, wenngleich ich mir noch nicht sicher bin, ob es von
fehlgeleitetem Mutterinstinkt herrührt oder vom theatralischen Faible der
DeLuceys. Was auch immer die Ursache sein mag, du musst mich weder beschützen
noch dich für mich opfern. Ich bin ein Mann, und keineswegs mehr ein ganz
junger, noch grün hinter den Ohren. Ich bin siebenunddreißig Jahre alt, und ich
will gehängt sein, wenn ich mich hinter deinen Röcken verstecke.« Er warf
ihr einen kurzen Blick zu. »Was ich unter deinen Röcken machen würde, ist eine
andere Sache, die ich liebend gern ein andermal erörtern möchte.«
»Was ist
nur los mit dir?«, rief sie.
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