Loretta Chase
großzügiges
Verhalten teuer zu stehen kommen.
Das war
stets das Problem, wenn man tat, was richtig war: Man würde dafür leiden
müssen, so viel war gewiss.
Ein
Gentleman hat zu tun, was richtig ist, und sich mit den Konsequenzen
abzufinden.
Verdammte
Regeln, dachte Benedict.
»Es tut mir
leid, Mylord«, sagte Peter DeLucey.
Einen
Moment lang schaute Benedict ihn verständnislos an und fragte sich, wie viel
der Unterhaltung ihm wohl eben entgangen war. »Ich weiß ehrlich gesagt nicht,
warum Sie sich bei mir entschuldigen«, meinte er. »Immerhin war ich es,
der nicht zugehört hat.«
»Lord
Rathbourne hat nur nachgedacht«, klärte Bathsheba den jungen Mann auf.
»Dieser Blick, der einem die Seele im Leib frösteln lässt, war nicht für Sie
bestimmt, Mr. DeLucey. Sie standen nur zufällig im Weg. Essen Sie etwas,
Rathbourne. Mit leerem Magen lässt es sich schlecht nachdenken. Thomas, Seine
Lordschaft hätte gern noch etwas Kaffee.«
Alle
folgten den Anweisungen der Dame.
An einem
Ende des schmalen Tisches saß sie der kleinen Gesellschaft als Gastgeberin vor.
Die beiden Männer saßen sich gegenüber.
»Während
Ihre Gedanken anderswo waren, hat Mr. DeLucey berichtet, wie die Kinder letzte
Nacht seinen Leuten entwischt sind und ihre Spur sich verloren hat«, sagte
sie.
Ja, nun
erinnerte Benedict sich wieder. DeLucey hatte von dem fahrenden Händler
gesprochen. Er hatte ihnen von Gaffy Tipton erzählt, den Lord Northwicks Leute
gestern Abend in einem der zahlreichen »The Bell« genannten Gasthöfe in
Bristol aufgespürt hatten.
»Er meinte,
er habe gleich gewusst, dass die Kinder aus guter Familie kämen«, fuhr
Peter fort. »Ihm war klar, dass die beiden ausgerissen waren. Aber er wusste
nicht, wer sie waren oder vor wem sie davongelaufen waren. Wer garantiere ihm
denn, dass die Männer, die behaupteten, für Lord Northwick zu arbeiten, nicht
gemeine Schurken wären, die es auf die Kinder abgesehen hätten, wollte er
wissen.«
»Kurzum:
Tipton war wenig kooperativ«, fasste Benedict zusammen.
»Es musste
erst nach Leuten geschickt werden, die für unseren Kundschafter bürgen konnten,
ehe der Händler auch nur ein Wort zu sagen bereit war.«
»Dazu muss
man wissen, dass meine liebe Olivia einen Konstabier, einen Schuldeneintreiber
oder einen Diebesfänger aus einer Meile Entfernung ausmachen kann«,
erklärte Bathsheba. »Ein einziger Blick auf den Kundschafter dürfte ihr genügt
haben, um Reißaus zu nehmen. Da konnte der gute Mann gar nichts mehr
machen.«
»Ich muss schon sagen, Sie nehmen das recht gelassen auf«,
sagte DeLucey erleichtert. »Ich an Ihrer Stelle wäre außer mir vor Wut. Wenn
Sie es genau wissen wollen, so hätte nicht viel gefehlt, und ich hätte dem
Kundschafter den Hals umgedreht. Die Kinder waren zum Greifen nah – und er hat
sie entwischen lassen.«
»Er hat sie nicht entwischen lassen«, stellte
Benedict klar. »Wie ich vor einigen Tagen zu Mrs. Wingate meinte, sind weder
mein Neffe noch ihre Tochter leichtgläubige Kinder. Sie sind beide aufgeweckt
und intelligent. Und sehr erfinderisch.«
»Vater war
ziemlich aufgebracht«, sagte DeLucey. »Die ganze Angelegenheit vor
Großvater geheim zu halten ist auch so schon nicht einfach. Je länger die Suche
dauert, desto wahrscheinlicher wird es, dass er Verdacht schöpft. Und wenn er
erst mal Verdacht geschöpft hat, ist es nur noch eine Frage kürzester Zeit, bis
er die Wahrheit herausgefunden hat, und dann können wir uns auf einen beeindruckenden
Familienkrach gefasst machen.«
»Es wundert
mich sowieso, dass er bislang noch nichts davon mitbekommen hat«, meinte
Bathsheba. »Lord Mandeville machte keineswegs einen hinfälligen Eindruck auf
mich. Sein Verstand scheint scharf zu sein, sein Körper rüstig.«
»Oh ja, er
hält sich ganz wacker, aber im Laufe der Jahre hat er es zunehmend Vater
überlassen, sich um die wirtschaftlichen Belange von Throgmorton zu
kümmern«, sagte DeLucey. »Großvater konzentriert sich lieber aufs Jagen,
Fischen und die Geselligkeit.«
»Dann hat
Lord Northwick also Erfahrung darin, Arbeit zu organisieren und Leute
anzuweisen«, bemerkte Benedict. Er wusste, dass dies keineswegs immer der
Fall war. Allzu oft beharrte das Familienoberhaupt darauf, bis zu seinem
letzten Atemzug
alle Fäden in der Hand zu halten, was dem Erben oftmals zu viel Muße bescherte
und keinen anderen Lebenszweck als auf den Tod seines Vaters zu warten. Der
derzeitige König war Benedicts Ansicht nach ein gutes
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