Loretta Chase
Freude anfühlte.
Das Tanzen
fand jedoch ein jähes Ende, als er ihr von dem Getuschel der beiden Diener im
Korridor erzählte.
»Machen Sie
sich bitte keine Sorgen«, beschwichtigte er sie. »Die Wirtin hat Sie nicht
gesehen.«
Seine Miene
verriet ihr nur selten, was in ihm vorging. Ihre hingegen,
so merkte sie nun, schien für ihn wie ein offenes Buch zu sein. Sie war
keineswegs beruhigt. »Aber sie hat Sie gesehen!«, sagte sie. »Wir dürfen
nicht gemeinsam von hier aufbrechen.« Sie trat an den Stuhl, auf dem ihre
Kleider lagen, nahm ihr Weißzeug und betrachtete es missmutig. »Hätte ich
wenigstens frische Unterkleider mitgenommen«, seufzte sie.
Er ging
hinüber zum Fenster und sah hinaus. Sein Hemd bedeckte ihn recht anständig und
erlaubte ihr nur, den unteren Teil seiner langen, muskulösen Beine zu sehen.
Doch im hellen Sonnenlicht war der feine Stoff nahezu durchscheinend. Sie
konnte sich auf das Prächtigste quälen, indem sie Umriss und Gestalt seines ranken,
schlanken und doch so kraftvollen Körpers betrachtete, die schmalen Hüften und
den straffen Hintern ...
Sie
schluckte ein Stöhnen hinunter.
»Draußen
geht es ziemlich geschäftig zu«, bemerkte er. »Samstag ist in Reading
Markttag. Ich denke, Ihr Wunsch ließe sich erfüllen.«
»Sind Sie
des Wahnsinns?«, erwiderte sie. »Sie können sich nicht in aller
Öffentlichkeit dabei sehen lassen, wie Sie mir Unterwäsche kaufen!«
»Ich wüsste
wenige Verpflichtungen, die mir mehr Vergnügen bereiten würden«, sagte er
und drehte sich zu ihr um. Seine Miene gab wie immer nichts preis, doch seine
dunklen Augen funkelten. »Unter den gegebenen Umständen muss ich diese
reizvolle Aufgabe allerdings anderen übertragen. Ich werde Thomas ...«
»Doch nicht
Ihrem Lakaienl«
»Ich werde
Thomas sagen, er soll eines der Hausmädchen mit der Aufgabe betrauen.«
»Dann kann
ich auch gleich selbst einkaufen gehen«, sagte sie. »Mich kennt hier
zumindest niemand. Aber es muss wirklich nicht sein.« Ebenso gut hätte sie
zu dem Stuhl sprechen können. Rathbourne war schon zum Klingelzug geeilt und
zog energisch daran.
»So können
Sie nicht hinausgehen«, sagte er. »Und die Kleider, die Sie anhatten,
möchten Sie nicht wieder anziehen.«
»Es spielt
keine Rolle, was ich möchte«, entgegnete sie. »Ich kann sie durchaus
wieder anziehen.«
»Aber warum
sollten Sie?«
Langsam war
sie mit ihrer Geduld am Ende. »Genau das hat Jack auch immer ...« Ein
Klopfen an der Tür ließ sie jäh verstummen und hinter die Bettvorhänge huschen.
»Ah,
Thomas«, meinte Rathbourne, als er die Tür einen Spaltbreit öffnete. Der
Rest der Unterredung fand im Flüsterton statt – von Rathbournes Seite eher ein
tiefes Brummen –, dann schloss er die Tür wieder.
Bathsheba
kam hinter den Bettvorhängen hervor.
»Es wird
eine Weile dauern«, sagte er.
»Sie sind
wirklich von allen guten Geistern verlassen!«, rief sie. »Wir waren schon
viel zu unvorsichtig. Und außerdem haben wir wertvolle Zeit verloren.«
»Ich denke,
es ist an der Zeit, uns einzugestehen, dass wir die Spur der Kinder verloren
haben«, sagte er. »Sie könnten hinter uns sein, vor uns, neben uns oder
hier direkt vor unserer Nase, aber gefunden haben wir sie nicht und werden dies
wahrscheinlich auch so bald nicht tun. Je mehr Zeit vergeht, desto schwieriger
wird es. Unsere derzeit verfolgte Fährte wird uns nur bis nach Chippenham
bringen. Wir könnten damit fortfahren, uns auf der Straße in Richtung Bath nach
den Kindern zu erkundigen, doch ab Chippenham gibt es eine weitere, etwas
kürzere Strecke nach Bristol. Wir können nicht zwei Routen
gleichzeitig absuchen.«
Ihr Herz
pochte heftig. Obwohl sie von der zweiten Route ab Chippenham gar nichts
gewusst hatte, war sie längst zu demselben Schluss gekommen. Sie versuchte den Gedanken –
und die damit einhergehende Verzweiflung – im Zaum zu halten. Kein Wunder, dass
sie ihrem Verlangen so leicht nachgegeben hatte. Im Grunde ihres Herzens hatte
sie gewusst, dass bereits alles verloren war. Ein Skandal war unausweichlich.
»Es besteht
kein Grund, so verzweifelt dreinzuschauen«, meinte er. »Noch ist nicht
alles verloren. Wir müssen das Problem lediglich aus einer anderen Perspektive
betrachten.«
Bathsheba
wollte das Problem gar nicht mehr betrachten. Sie wollte auf die Knie sinken
und heulen wie ein Kind. Sie wollte nicht mehr erwachsen sein. Und Mutter
wollte sie auch nicht mehr sein. Sie wollte nicht immer alles in Ordnung
bringen,
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