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Lorettas letzter Vorhang

Lorettas letzter Vorhang

Titel: Lorettas letzter Vorhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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finden können.
    Wagner griff nach dem Päckchen. Es war gut verschnürt, und erst mit seinem kleinen Messer gelang es ihm, die Bänder zu lösen. Er wickelte eine, dann eine zweite Schicht Ölpapier ab, das Paket war nun schon bedeutend kleiner, jetzt folgte ein festes, eng gewebtes und gewachstesLeintuch und dann, endlich und tatsächlich, Schwarzbachs bestes Musterbuch.
    Rosina pfiff leise durch die Zähne. «Er hat also nicht gelogen. Er hat ihr das Musterbuch gegeben. Und wahrscheinlich wollte er es später tatsächlich zurückhaben.»
    Wagner sagte nichts. Er hielt es nun doch für wahrscheinlicher, daß Blank das Buch bei seiner Auftraggeberin abgeliefert hatte. Er sah den kostbaren Fund an, und sein Blick verriet alles andere als Freude. Vorsichtig öffnete er das Buch. Da stand es:
Musterbuch der Kattundruckerei Schwarzbach & Sohn zu Hamburg.
Er blätterte die ersten Seiten um und schaute grimmig die auf festes Papier gedruckte, vielfarbige Pracht an.
    «Sind sie nicht wunderschön?» Rosinas Stimme klang andächtig und ein wenig wie Seufzen. Stoffe mit solchen Mustern würde sie sich niemals leisten können. «So sagt doch etwas, Wagner. Was denkt Ihr?»
    «Vor allem denke ich nach. Wenn Ihr erlaubt, ich möchte erst ein wenig nachdenken, bevor ich etwas sage. Nun ja, ein wenig.» Er räusperte sich, griff gedankenverloren nach Rosinas Becher und nahm einen Schluck ihres Zitronenwassers.
    «Denkt doch nicht so lange! Ihr seht gar nicht froh aus, Wagner. Seid Ihr es etwa nicht? Nun, da das Buch endlich gefunden ist?»
    «Nein, nicht wirklich.» Er räusperte sich wieder. Es war ihm sichtlich unangenehm, Rosina so zu enttäuschen. «Natürlich sollte ich mich freuen, wir sind nun einen Schritt weiter. Ohne Zweifel. Aber ich weiß nicht, in welche Richtung.»
    Er habe niemals wirklich daran geglaubt, daß Loretta dieses Buch bekommen habe. Er habe vielmehr geglaubt, Blank habe sie getötet und sich diese Sache mit dem Buchnur ausgedacht, um zu erklären, äußerst ehrbar zu erklären, warum er so kurz vor ihrem Tod hinter der Bühne gewesen war.
    «Aber Schwarzbach hat doch gesagt, das Buch sei gestohlen, und er war auch sicher, daß Lukas der Dieb war.»
    «Das stimmt wohl, aber deshalb muß Blank das Buch nicht auch an Eure Freundin weitergegeben haben. Egal, ob nur zur Verwahrung oder weil er in ihrem Auftrag gestohlen hat. Aber es ist mir immer noch seltsam, daß Schwarzbach den Diebstahl nicht gleich gemeldet hat. Irgend etwas stimmt da nicht. Wenn ich nur eine Idee hätte, welchen Vorteil der Manufakteur davon haben könnte, würde ich denken, er hat mit Blank gemeinsame Sache gemacht. Aber das wäre völlig sinnlos. Nein, das Buch ist zwar wieder da, aber es hilft nicht wirklich weiter.»
    «Doch», sagte Rosina und goß ihm aus dem irdenen Krug Zitronenwasser nach, «es hilft weiter. Es bedeutet nämlich, daß Lukas Blank tatsächlich nicht Lorettas Mörder ist.»
    «Warum? Ganz im Gegenteil. Vielleicht hat er sie getötet, um eine Mitwisserin aus dem Weg zu räumen. Um den Ertrag aus dem Verkauf nicht teilen zu müssen.»
    «Nachdem er ihr gerade das Buch gegeben hatte? Wie sollte er es dann zurückbekommen? Und warum ausgerechnet im Theater und in einem so auffälligen Rock? Er mußte doch damit rechnen, daß ihn trotz der Dunkelheit in den Kulissen jemand als Lorettas Freund erkennt.»
    Wagner starrte mißmutig schweigend in den Hof. «Wie ich schon sagte, ich muß nachdenken.»
    Wenn Lukas Blank nicht wegen des Mordes, sondern tatsächlich nur wegen des Diebstahls in der Fronerei saß, konnte das nur bedeuten, daß der wahre Mörder doch unter den Theaterleuten zu suchen war. Das behagte ihmüberhaupt nicht. Und die Vorstellung, dies könnte der erste Mord sein, den es ihm nicht gelang aufzuklären, behagte ihm noch weniger.
    «Nun, ich werde später nachdenken. Aber könntet Ihr über den Fund des Buches noch ein wenig schweigen? Bis ich weiß, was er bedeutet.»
    «Ihr wollt es nicht gleich zu Schwarzbach bringen? Er wird es sicher dringend erwarten.»
    «So dringend nicht. Für ihn ist die Hauptsache, daß niemand anderer, vor allem kein anderer Kattunmanufakteur, seine Mustersammlung in die Hände bekommt. Ich möchte nicht, daß es sich schon herumspricht, weil – wie soll ich es erklären? Solange es noch verschwunden ist, wird es jemand vermissen. Ich meine», er rutschte unruhig auf der Bank hin und her, «der, der es haben wollte. Versteht Ihr mich? Ich glaube es zwar nicht, aber

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