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Lorettas letzter Vorhang

Lorettas letzter Vorhang

Titel: Lorettas letzter Vorhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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der Stadt gehalten hatten. Und es war nach langer Zeit wieder darüber debattiert worden, daß es eine Schande sei, keine städtische Oper mehr zu haben und auf reisende französische und italienische Operisten angewiesen zu sein. Das Theater am Gänsemarkt, war die einhellige Meinung, wäre viel erfolgreicher, wenn dort auch Opern aufgeführt würden.
    Es fiel Claes schwer, seiner vergnügt plaudernden Frau zum Abschluß des Abends noch eine schlechte Nachricht zu überbringen, aber er wußte genau, sie würde ihm nie verzeihen, wenn er sie ihr vorenthielte. Sie erzählte geradezum drittenmal, wie glücklich sie sei, daß Monsieur Lessing, übrigens für einen so gelehrten Mann ein ungewöhnlich charmanter und heiterer Plauderer, von Rosinas Gesang derart beeindruckt gewesen sei, daß er versprochen habe, der Direktion am Gänsemarkt dringlich zu raten, dieses Talent nun endlich auch auf ihrer Bühne singen und spielen zu lassen, als Claes vernehmlich aufseufzte und sagte: «Anne, mein munterer Engel, ich muß dir nun noch erzählen, warum unser guter van Witten so spät und mit so hochrotem Kopf kam.»
    «Weil er wütend war, daß wir das Souper vor dem Konzert serviert haben», kicherte Anne, die auch den Burgunder ganz vorzüglich gefunden hatte, und kniff ihren ernstblickenden Gatten vergnügt in die Nase. «Er ist doch gewiß so spät gekommen, um sich um die Musik, das Gefiedel, wie er sie immer nennt, zu drücken.»
    «Nein, leider nicht. Er hatte wirklich einen guten Grund. Lukas Blank ist geflohen, und van Witten hat die Suche befehligt. Aber – erschrick bitte nicht – sie haben ihn noch nicht gefunden.»
    Nachdem er ihr die ganze kurze Geschichte erzählt hatte, konnte er sie nur mit Mühe zurückhalten, sich gleich wieder anzukleiden und van Witten aus dem Ehebett zu klopfen, damit er sofort einen, nein, zwei oder drei Wächter – man habe ja nun gesehen, wie leicht die zu überwältigen seien – vor das Krögersche Haus beordere. Dann forderte sie, Rosina sofort in den Neuen Wandrahm zu holen, aber Claes versicherte, Rosina schlafe längst tief und fest, und der Senator habe der Nachtwache Order gegeben, sich in der Neustädter Fuhlentwiete besonders oft und lange aufzuhalten und jedem Geräusch, jeder Unregelmäßigkeit unverzüglich nachzugehen. Außerdem, warum solle Blank Rosina belästigen, fragte Claes. Wenn er in derStadt noch etwas suche, dann sei es das Musterbuch. Das könne er nur im Theater vermuten, und dort habe der Senator gleich vier Wachen für die ganze Nacht bestellt.
    «Aber ich glaube», sagte er schließlich, «daß Blank schon längst über die Wälle und alle Berge ist. Warum sollte einer, dem hier der Galgen droht, auch nur eine Minute länger als unbedingt notwendig bleiben?»
    «Weil er ohne diese blöden Muster nicht gehen will», sagte Anne. «Und irgend jemand hat ihm schließlich geholfen zu fliehen. Was van Witten dir da erzählt hat, klingt doch nach einer gut geplanten Flucht.»
    «Das Buch ist ihm wichtiger als sein Kopf?»
    Anne zuckte die Schultern. Sie wollte sich die Sorge um Rosina nicht ausreden lassen, sie mochte unvernünftig sein, wie Claes ganz gewiß dachte, das erkannte sie an seinem nachsichtigen Blick, aber sie fühlte deutlich, daß sie berechtigt war.
    «Wie sollte er die Stadt verlassen? Die Tore werden doch geschlossen, sobald es dunkel wird.»
    «Das sagt van Witten auch.» Claes ließ sich ermattet in die Kissen fallen und rieb sich müde die Augen. «Aber das ist natürlich Unsinn. Verzeih, meine kluge Liebste, ich meine damit nicht dich, du kennst die Wälle nicht so gut. Aber der Weddesenator sollte es besser wissen. Es ist schwierig, bei Nacht und geschlossenen Toren hereinzukommen. Wenn man aber innerhalb der Wälle ist, gibt es viele Wege hinauszukommen. Er könnte zum Beispiel bei der Lombardsbrücke durch die Alster einfach aus der Stadt schwimmen. Er muß sich nur lange genug in den dichten Gebüschen bei der Mühle oder beim Lombardhaus verstecken und abwarten, bis die Wachen auf ihrer Runde vorbei sind. Es dauert einige Zeit, bis sie ein zweites Mal kommen. Vor allem nach Mitternacht, wennalle schön schläfrig sind, auch die wenigen Stadtsoldaten, die noch auf einigen Bastionen wachen. Ruder würden bei einem ungeübten Mann gewiß zuviel Lärm machen, und ein Boot könnte auch leicht gesehen werden, aber ein Schwimmer kann so leise sein, daß niemand ihn bemerkt. Wenn er nicht gerade keifenden Schwänen in die Quere kommt, aber das

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