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Lorettas letzter Vorhang

Lorettas letzter Vorhang

Titel: Lorettas letzter Vorhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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anderswo suchen. Und bei einer wie Lore oder Elsi findet sich immer ein dummer Liebhaber, der allen Grund hatte, sie zu töten.»
    Sie rieb triumphierend ihre Hände, kräftige Hände, und Rosina erinnerte sich, daß Anne erzählt hatte, Magdalena, die doch so scheu und beherrscht wirke, reite häufig mit ihrem Mann vor den Wällen.
    «Ihr seid Hanna.» Rosinas Stimme war nur noch ein Flüstern. «Und Ihr habt das Mädchen in Bristol töten lassen. Und Loretta. Melcher   – Melcher ist dann
Euer
Bruder, er tötet für Euch!»
    Sie ist Hanna, hämmerte es in Rosinas Kopf, und sie tastetesich langsam einen Schritt zurück. Sie mußte diesen Raum verlassen, sofort. Sie mußte aus diesem Haus fliehen. Zwei Leben waren dieser Frau ihre Lebenslüge wert gewesen. Das Leben zweier Freundinnen. Sie würde erst recht keine Skrupel haben, einer Unbekannten das Genick brechen zu lassen.
    Hanna, seit acht Jahren Magdalena Bellham, folgte ihr langsam, kreiste sie ein wie ein Raubtier seine Beute. Ein säuerlicher Geruch ging nun von ihr aus, und Rosina spürte Übelkeit wie eine Kralle in ihrem Leib.
    «Mein Bruder», zischte Hanna, «hat damit nichts zu tun, das habe ich Euch schon gesagt.» Sie hob die Hände, betrachtete sie wieder wie kostbare Werkzeuge und kam immer näher. «Mein Bruder kann Pferde lenken und Hunde töten. Aber er ist ein schwacher Mensch. Das Grabkreuz? Er wußte genau, daß ich ihm diese leichtfertige Dummheit niemals erlaubt hätte. So hat er mir erst davon erzählt, als es zu spät war. Mein Bruder würde nur töten, wenn ich ihn darum bitte, aber ich habe ihn nicht gebeten. Ich beschütze selbst meine Familie, mein Leben, das Leben meines Mannes und seiner Kinder. Ich beschütze auch die Kirche, zu der wir gehören, ja, das tue ich, die Menschen, die uns ehren. Ich werde nicht zulassen, daß du das zerstörst. Was warst
du
, bevor du begannst, dich schamlos auf der Bühne zu zeigen? Warst du schon eine Hure? Eine, die in der Schenke ihren Leib hergab für einen Penny? Elsi war so eine, auch wenn sie noch so brav tat. Elsi und Lore. Sie haben ihr Leben vergeudet und verwirkt. Wir hatten geschworen, aus unserem Leben etwas zu machen, keine hat es geschafft. Nur ich. Ich habe es geschafft.»
    Solange Mrs.   Bellham, solange Hanna sprach, solange sie sprechen wollte, verging Zeit. Rosina hatte begriffen,daß sie diesen Raum kaum ohne fremde Hilfe verlassen konnte. Wann kamen die Köchin und das Mädchen endlich zurück? Würden sie nicht hinauf in den Salon stürmen, wenn sie einen Schrei hörten? Sie mußten doch annehmen, daß ihre Herrin in Gefahr, daß sie krank oder gestürzt war. Konnten Schreie überhaupt bis in die Küche hinunter dringen? Und was, wenn Melcher kam? Es gab keinen anderen Weg. Hanna mußte weiterreden, immer weiterreden, bis die Frauen zurückkamen.
    «Ihr habt Eure Herrin schon auf dem Schiff getötet!»
    «Unsinn. Magdalena – seltsam, mit diesem Namen von
ihr
zu sprechen.
Ich
bin Magdalena.» Das klang fast heiter, als spüre sie immer noch Tag für Tag den Triumph des Sieges über ihre Geburt. «Nein, sie starb an Bord des Rheinschiffes. Sie war einige Tage zuvor schon krank vom Fieber und blieb unter Deck, und ich hüllte mich in ihren Umhang. Es war ein so schöner Umhang. Und als ich an Deck kam, begrüßte mich jeder ehrerbietig als Mademoiselle Holting. Zuerst wollte ich es erklären, aber ich schwieg, es war so köstlich, wie eine Dame und nicht mehr wie eine Domestike behandelt zu werden. Das werdet
Ihr
kaum verstehen. So köstlich. Und dann starb sie. Was war einfacher, als sie als die Zofe beerdigen zu lassen. Ein Wink des Himmels. Das war es. Ein Zeichen des Himmels. Wir sahen uns immer ähnlich, und von ihrem Hauslehrer habe ich mehr gelernt als sie. Ich, die ich doch stets nur ihre Bücher tragen und zu ihrer Bedienung dabeisitzen sollte, wenn das dumme Ding sich mit den Buchstaben und Zahlen quälte. Magdalena, die vergangene Magdalena war dumm. Ich bin klug. Hanna Melcher ist in jener Nacht auf dem Rhein gestorben, und das Gerücht, sie sei entlaufen, entstand durch nichts als Klatsch. Aber war der nicht auch hilfreich?
Ich
reiste nach England und war Magdalena undbald darauf Mrs.   Bellham. Ich
bin
Mrs.   Bellham. Die andere ist es nie gewesen. Ich habe dafür geschworen, ein ehrbares Leben zu führen, und das habe ich getan. Gott weiß es, und Er wird verstehen, warum ich dieses Leben beschützen muß. Erliegen in der Bibel nicht genug Ungerechte seinem Zorn

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