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Lorettas letzter Vorhang

Lorettas letzter Vorhang

Titel: Lorettas letzter Vorhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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schlau war, gutes Geld damit machen. Aber das kleine Heft, von dem Bellham nichts ahnte, war seine Zukunft. Es hatte, fest in fünf Lagen Ölpapier verpackt, in dem Loch in der alten Eiche hinter dem Lombardhaus auf ihn gewartet, und auch das Bad in der Alster hatte es fast unbeschädigt überstanden. Es war der Grundstock für ein Leben in Wohlstand, irgendwo auf dieser Welt. Nicht gleich, vielleicht auch nicht im nächsten Jahr, aber er würde doch einen Ort finden, so weit von Hamburg entfernt, daß ihn niemals jemand wiedererkannte. Einen Ort, wo er dank dieses Heftes mit den Rezepten von Schwarzbachs bestem Coloristen ein gutes Leben aufbauen konnte. Wo niemand mehr in ihm den Sohn von Blank, dem Bankrotteur, sah. Unrecht Gut gedeihet nicht? Das wollte er erst einmal sehen.
    Von Amsterdam gingen Schiffe nach dem westindischen St.   Thomas. Seit die dänische Insel sich vor drei Jahren zur Freihandelszone erklärt hatte, lief dort allerdings hin und wieder auch ein hamburgisches Schiff ein. Nein, sicherer als eine Insel war Virginia. Auch vorteilhafter, denn dort versuchten die Kolonisten, vom englischen Mutterland unabhängiger zu werden und eigene Manufakturen aufzubauen. Wer klug war, konnte in Virginia und dem benachbarten Maryland und Carolina reich werdenwie ein König. Oder doch nach Osten? Von Amsterdam segelten auch Schiffe nach St.   Petersburg, und auch im Osten entstanden immer mehr Manufakturen, gute Männer wurden dort teuer bezahlt. Aber St.   Petersburg war viel zu kalt, die Aussichten in Virginia   … Da schlief Lukas Blank ein. Er träumte nicht, dazu war er zu müde, aber er fühlte sich auch tief im Schlaf so sicher, wie nie zuvor. Vor ihm lag die Zukunft. Und die war endlich hell und bunt. Und sehr reich.
     
    Rosinas Herz raste, aber ihr Verstand hatte endlich wieder begonnen, klar zu arbeiten. «Diesmal schafft Ihr es nicht, Hanna. Ich darf doch Hanna sagen? Mrs.   Bellham werdet Ihr von mir nicht mehr erwarten?»
    Sie mußte reden, böse reden, um die Frau mit den kräftigen Händen vor ihr aus der Ruhe zu bringen. Wer blind vor Zorn war, machte Fehler. Sie mußte reden, reden, reden und versuchen, doch noch die einzige Tür an der gegenüberliegenden Wand des Zimmers zu erreichen. «Ich bin stärker als Loretta, und mich könnt Ihr nun auch nicht mehr überraschen. Ich werde schreien und um mich schlagen, ich werde Euch so verletzen, so zerkratzen, daß jeder danach fragen wird. Alle werden denken, Euer Mann sei es gewesen, Euer wunderbarer Gatte habe Euch geschlagen, weil Ihr ihm keine gute Frau seid, sondern eine aus irgendeinem dreckigen Hinterhof   …»
    «Rede nur», flüsterte Hanna, «rede nur. Es amüsiert mich wirklich.» Aber es amüsierte sie nicht. Ihr Mund hatte allen Triumph verloren, nur Entschlossenheit war geblieben, mörderische Entschlossenheit.
    «Ihr lügt», rief Rosina plötzlich, «Eure ganze Geschichte ist erlogen. Woher solltet Ihr wissen, wie man tötet? Auf diese Weise tötet? Woher?»
    «Du bist töricht. Glaubst du, nur ein Mann kann so etwas? Es ist eine ganz leichte Art. Hat Lore nicht von dem Starken Mann erzählt, den sie in Köln so bewundert hat?
Er
hat
mich
bewundert, und er hat mir gezeigt, was er im Hafen von Amsterdam gelernt hat. Er dachte, ich würde dafür zu ihm aufsehen. Er war ein dummer Mann, aber seine Tricks und seine Kraft erschienen mir ungemein nützlich   …»
    Da machte Rosina, plötzlich blind vor Zorn und ohne zu denken, einen großen Sprung, stieß Hanna Melcher mit voller Kraft gegen die Brust, die taumelte, stolperte rückwärts, ihre Hände krallten sich in Rosinas Mieder und zogen sie mit zu Boden. Es erschien Rosina wie eine Ewigkeit, dann spürte sie die harten Dielen unter ihrer Schulter. Ihre Hände umklammerten die Handgelenke der anderen, lange würde sie ihnen nicht standhalten können, auch Hanna Melcher kämpfte um ihr Leben, und sie war stark, fast wie ein Mann. Rosina spürte Hannas eiskalte Hand, die sich auf ihre Stirn preßte, Finger, die wie Schraubzwingen ihren Kopf hielten, sich unter ihr Kinn schoben   … Panik rauschte dröhnend in ihren Ohren, und dann war da ein Poltern, Melcher kam, seiner Schwester doch noch zu helfen. Sie schlug und kratzte nach dem Körper, der den ihren niederdrückte, sie schrie – und plötzlich war die Hand verschwunden.
    Ihr Kopf fiel hart zurück auf den Boden, sie hörte ein Keuchen, und als sich der Nebel der Angst vor ihren Augen löste, sah sie das verzerrte

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