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Lorettas letzter Vorhang

Lorettas letzter Vorhang

Titel: Lorettas letzter Vorhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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nicht, die Euren Seelenfrieden gefährdet. Mademoiselle Grelot wurde vor wenigen Tagen getötet, das wißt Ihr. Aber da war noch ein anderer Mord, in Bristol. Zwei junge Frauen wurden getötet, weit voneinander entfernt, aber ich bin sicher, daß sie einander kannten und auch mit Eurer Zofe bekannt waren, daß sie sogar Freundinnen waren. Ich weiß, daß Euer Kutscher ein Kreuz für Lorettas Grab gemacht hat. Er muß etwas damit zu tun haben, und ich muß wissen, was damals geschehen ist. Denn wenn Ihr etwas davon wißt, seid auch Ihr in Gefahr.»
    Rosina redete schnell, doch je mehr sie sprach, um so undurchdringlicher und abweisender wurden die Augen ihres Gegenübers. «Ich weiß», setzte sie eilig hinzu, «es muß Euch ein unerträglicher Affront sein, Euren Kutscher, den Ihr fast Euer ganzes Leben lang kennt, dem Ihr vertraut, so verdächtigt zu sehen, aber glaubt mir bitte, damals muß etwas geschehen sein, was die Ursache für den Tod der beiden ist.»
    Aber Magdalena Bellham hörte ihr nicht zu. «Eure dumme Freundin tat Euch keinen Gefallen, als sie Euch davon erzählte.» Es klang, als sei sie plötzlich aus einer Starre erwacht. «Sie verstand es nie, ein Geheimnis zu bewahren, und sie hätte es auch nicht bewahrt, wenn ich ihr gegeben hätte, was sie gewiß fordern wollte. Ich traf sie in den Kolonnaden des Domes, und sie erkannte mich gleich. Sie begrüßte mich wie eine alte Freundin, als pflege eine Mrs.   Bellham Freundschaft mit einer Kokotte! Gewiß hätte sie nur eine lächerliche Summe gefordert,Lore wußte nie um den Wert des Geldes. Aber das hätte ihr nicht gereicht, sie wäre immer wieder gekommen und nicht, wie sie beteuerte, nach Paris zurückgekehrt, wo sie schon früher in den Hurenhäusern, die sich Theater nennen, ihr widerliches Leben gelebt hat. Sie erzählte gleich davon, als könne sie sich damit Ehre erweisen! Und nun denkt Ihr, Ihr könntet ihren verderbten Plan fortführen? Das könnt Ihr nicht, Mademoiselle!»
    Sie stand jetzt ganz nahe vor Rosina, und es war, als habe ihre Rede, ihr Blick Gewalt über Rosina. Die wollte zurückweichen, aber ihr Körper war wie erfroren. Sie starrte in dieses Gesicht, und erst jetzt verstand sie, was die Frau vor ihr gerade gesagt hatte. Und begriff, daß die Miniatur, die unten in dem ungeliebten Salon hing, eine andere Frau zeigte, eine Frau mit sanfteren, ängstlicheren Zügen, mit größeren Ohren, einem tieferen Ansatz des nur dunkelbraunen Haares, mit volleren Lippen. Eine zum Verwechseln ähnliche, aber dennoch andere Frau.
    «Ihr seid nicht Mrs.   Bellham», flüstere sie, «Ihr seid es gar nicht.»
    «Natürlich bin ich Mrs.   Bellham.» Sie lachte hart. «Ich bin es seit meiner Hochzeit vor acht Jahren, und ich werde es bleiben, bis ich sterbe. Ich habe diesen wunderbaren Mann geheiratet, bin seinen Kindern eine Mutter geworden, seinen Eltern die bravste Schwiegertochter. Es ist eine gute Familie, es gibt keine bessere. Ich werde es niemals zulassen, daß dieser Familie Leid widerfährt. Niemals. Glaubt Ihr, meine beiden Stieftöchter würden in den Familien ihrer Männer noch die Ehre erfahren, die ihnen gebührt, wenn die Vergangenheit ans Licht käme? Die Wahrheit? Was ist das, die Wahrheit? Die Wahrheit ist, daß ich als Magdalena Holting von Köln nach England kam und Mr.   Bellham heiratete, so wie es verabredet war. DieWahrheit ist, daß ich ihm die beste Frau bin und immer war. Glaubt Ihr, er bliebe so angesehen, wenn herauskäme, daß er nicht die Tochter eines ehrbaren Kölner Kaufmannes, sondern die Tochter eines kleinen Krämers und einer Küchenfrau geheiratet hat?»
    Wieder lachte sie, und nun klang es stolz und siegesgewiß. «Niemals. Ich habe das erste Mal dafür gesorgt und dachte, unser Leben, unsere Ordnung sei wieder sicher. Ich habe das zweite Mal dafür gesorgt. Glaubt Ihr, daß ich nun, wo ich bereitwillig das Opfer der Sünde auf mich geladen habe, um meine Familie zu bewahren, bei einem dritten Mal zögern würde? Glaubt Ihr das?»
    «Ihr seid Hanna?»
    «Natürlich bin ich Hanna. Deshalb seid Ihr doch gekommen? Weil Ihr das holen wollt, was Lore nicht bekam. Sie bekam dafür etwas anderes, nachts in den Kulissen. Es war der beste Ort für diese Reinigung vom Unrat. Und es war ganz leicht, niemand hat etwas bemerkt. So viele drängen sich da in der Dunkelheit, und alle starren auf die Bühne, eine fremde Gestalt wird dort nicht bemerkt, und wo so viele sind, wird man auch einen Täter finden. Niemand wird

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