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Lorettas letzter Vorhang

Lorettas letzter Vorhang

Titel: Lorettas letzter Vorhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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Anteilnahme verrieten, zu mögen.
    Eine Stunde später stieg Claes Herrmanns vor seinemHaus aus dem Sattel und führte seinen Fuchs durch das tiefliegende Tor und den langen, dämmerigen Gang bis in den hinteren Hof. Benni, der Pferdejunge, kam ihm schon entgegen, er hörte das Klappern der Hufe aus dem gepflasterten Gang immer als erster, und übernahm die Zügel. Der Fuchs schnaubte freundlich und rieb sein schaumiges Maul an seiner Schulter. Benni, wie auch zwei von Elsbeths Küchenmädchen ein Kind aus dem Waisenhaus, hatte enormen Pferdeverstand.
    Im Kontor herrschte ungewohnte Stille. Die Tische der beiden Lehrlinge waren leer. Fitz war mit Briefen unterwegs zu den Ämtern der verschiedenen Postlinien. Dübbel, dessen Lehre im nächsten Jahr zu Ende sein würde, überwachte im Speicher am Grimm das Stapeln der Ware, die gestern mit einer Bark aus Bordeaux angekommen war. So saß nur Christian Herrmanns hinter der verglasten Wand im hinteren Kontor, das Vater und Sohn Herrmanns vorbehalten war, an seinem Tisch, den Kopf konzentriert über das große Kontobuch geneigt, das aufgeschlagen vor ihm lag.
    Claes grinste. Sein ältester Sohn war 21   Jahre alt und mit seiner schlanken Gestalt, dem klaren Gesicht und dem dichten braunen Haar, das eine Perücke selbst bei offiziellen Anlässen unnötig machte, ein ansehnlicher junger Mann. Und leicht entflammbar. Seit seiner angeblich ewigen, doch aus den verschiedensten Gründen schnell gescheiterten Liebe zu Lucia Stedemühlen war erst ein gutes Jahr vergangen. Doch inzwischen war er zweimal davon überzeugt gewesen, die Liebe seines Lebens entdeckt zu haben. Zur Zeit beschäftigte ihn allerdings nichts anderes als die Geschäfte des Hauses Herrmanns. Claes sah keinen Grund, seinen Sohn in seinem löblichen Fleiß zu unterbrechen. Er hatte sich zwar viel zu lange bei Schwarzbachaufgehalten, aber für einen kurzen Besuch bei Anne war noch Zeit genug.
    Leise schloß er die Kontortür und ging auf der Galerie über der Diele zum Salon. Im Näherkommen hörte er Stimmen, genaugenommen nur eine, und die war ihm allzu vertraut. Vor ein paar Jahren hatte er sich einige Zeit gewünscht, sie von morgens bis abends und bis an sein Lebensende zu hören. Als er die Tür öffnete und eintrat, glitt ein Strahlen über Annes Gesicht, allerdings nicht, wie ihre Besucherinnen annahmen, aus rührender Gattenliebe, sondern aus schlichter Erleichterung.
    Als Claes die Damen und – ein wenig verhaltener – Carlino begrüßt hatte, brachte Blohm schon eine weitere Tasse und frische, dampfende Schokolade, allerdings keine weiteren Zitronenpasteten, was besonders Mademoiselle Bauer sehr bedauerte.
    Weil Claes nicht so recht wußte, worüber er nach dem üblichen Austausch von Höflichkeiten am besten plaudern sollte, entschied er sich für eines der Lieblingsthemen seiner Frau. «Habt Ihr schon unser Theater besucht, Mrs.   Bellham? Wenn Ihr in London gelebt habt, seid Ihr natürlich mit so großen Künstlern wie Mr.   Garrick und Mrs.   Pritchard verwöhnt, aber auch unsere Bühne hat durchaus ihre Qualitäten.»
    Anne verkniff sich ein erstauntes Stirnrunzeln und hoffte, er werde nun nicht erzählen, daß sie für morgen abend eine Loge reserviert hatten. Eine vergebliche Hoffnung.
    «Ich muß gestehen», fuhr Claes fort, «daß ich, anders als Anne, kein fleißiger Theaterbesucher bin. Dennoch gebe ich zu, daß es recht amüsant sein kann. Morgen abend, zum Beispiel, gibt man eine Komödie. Wir haben eine Loge reserviert, darin ist auch für unsere Gäste Platz.»
    «Früher», Magdalena strich sanft mit einem Zeigefinger über ihren Ehering, der anders als Agnes’ glitzerndes Schmuckstück nur mit einem kleinen flachgeschliffenen Rubin besetzt war, «in meiner Jugend hatte ich, nun, ich will es ein gewisses Interesse für das Theater nennen. Mr.   Garrick habe ich nie gesehen, obwohl er gewiß zu den ernsthaften Künstlern gehört. Tatsächlich», fügte sie nach einem kurzen Zögern hinzu, «bin ich in London nie im Theater gewesen. Und ich werde gewiß auch das hiesige nicht betreten.»
    «Wirklich nicht, Magdalena?» Agnes konnte es nicht fassen. «Als ich vor drei Jahren den Winter in London verbrachte, war ich häufig im Covent Garden und mindestens einmal in der Woche im Drury Lane. Du hast versäumt, Mr.   Garrick zu sehen? Er ist göttlich, meine Liebe, einfach göttlich, obwohl er nicht wirklich schön und auch nicht sehr stolz gewachsen ist. Er rührt jeden zu Tränen,

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