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Lorettas letzter Vorhang

Lorettas letzter Vorhang

Titel: Lorettas letzter Vorhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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Lessing erwähnt wurde, nämlich als ein berüchtigter Freidenker, der in Preußen keine Anstellung gefunden habe und nun in Hamburg sein verderbliches Gedankengut in die unschuldigen Seelen der Bürger der Stadt träufele. Zu dem Mord stand dort keine Zeile.
    «Irgend jemand muß doch wissen, wer diese Leute sind. Man müßte doch   …» Sie räusperte sich und begann die Zeilen noch einmal zu lesen.
    «Ich weiß, was du denkst, Anne, und ich sage strikt nein! Egal, was ich dir vor unserer Hochzeit versprochen habe.»
    Annes zornige Miene entspannte sich, sie lächelte, aber die kleine, steile Falte über der Nase blieb, diese Falte, die ihr Mann zu fürchten gelernt hatte, weil sie immer eine Störung seiner Ruhe ankündigte.
    «Wenn du es weißt», sagte sie leicht, «um so besser. Denn das, mein Lieber, hat ja nichts mit dem wortlosen Verstehen einander tief verbundener Seelen zu tun, wie es in den süßen Romanen so hübsch falsch geträumt wird. Tatsächlich bedeutet es nichts, als daß du aus diesem Unsinn die gleichen vernünftigen Schlüsse ziehst wie ich. Es scheint doch zumindest möglich, daß, wer immer das hier geschrieben hat, hinter dem Mord an Loretta stecken könnte. Oder davon weiß. Und daß es an der Zeit ist, sich diese Retter unserer Seelen einmal näher anzusehen. Habe ich mich vorsichtig genug ausgedrückt?»
    Claes hätte gerne darüber gelacht, aber das konnte er nicht. «Vorsichtig genug. In der Tat. Und mein striktes Nein meinte genau das. Ich werde nicht erlauben, daß du mit diesen Leuten allein in einem Raum bist.»
    «
Mon dieu!
» Anne schlug mit der flachen Hand auf den Tisch, auch sie wußte nicht, ob sie lachen oder ärgerlich sein sollte. «Glaubst du, man wird mir beim Tee etwas antun? Einer muß es tun, und du kannst das nicht sein. Oder?»
    Claes schüttelte widerwillig zustimmend den Kopf. «Natürlich nicht, mich kennt jeder in der Stadt. Niemand würde glauben, daß ich   …»
    «
Vraiment!
Soll es vielleicht Wagner tun? Ein Weddemeister? Oder Rosina? Ha!! Das wäre sehr passend.»
    «Ein Streit beizeiten ist der beste Staubwedel für eine Ehe.» Augusta Kjellerup, Claes’ Tante und bis zu Annes Einzug die erste Dame des Hauses, stand in der Tür. Auf einem kleinen Tablett trug sie drei Gläser und die Karaffemit Rosmarin-Branntwein, der in der Vitrine in ihrem privaten Salon, für Notfälle wie zum reinen Vergnügen, immer bereitstand.
    «Alte Tanten können keine größere Sünde begehen, als sich in die Auseinandersetzungen der jüngeren Generation einzumischen, ich weiß.» Sie stellte das Tablett auf den Tisch, setzte sich zwischen Claes und Anne und füllte die Gläser.
    Claes räusperte sich, aber bevor er eine höfliche Lüge aussprechen konnte, sprach Augusta schon weiter.
    «Das werde ich auch nicht tun, ich meine, mich in eure Angelegenheiten mischen. Aber wenn es um die Leute geht, die solche Zettel verbreiten, geht mich das genauso an. Ich konnte nicht verhindern, euch die letzten Minuten zuzuhören, so gut schließen unsere Türen nun doch nicht. Also habe ich dies hier geholt», sie nahm ihr Glas, hob es gegen Anne und Claes und nahm einen kräftigen Schluck, «und ich glaube, die Lösung für euer Problem ist ganz einfach.»
    Anne sah Augusta verblüfft an, und Claes, der seine Tante sehr viel länger und sehr viel besser kannte, stöhnte schwer. Gleichzeitig wußte er, daß Augusta recht hatte. «Nun, meine Lieben», Augusta zupfte zufrieden an den kleinen Rüschen, die die schmalen Ärmel ihres Kleides einfaßten, «daß du das Theater liebst, Anne, wissen nämlich auch sehr viele. Du glaubst doch nicht ernsthaft, daß Claes Herrmanns’ neue Ehefrau inzwischen und nach allem, was geschehen ist, weniger bekannt ist als er selbst? Aber niemand wird einer alten schrulligen Witwe – nein, Anne, kein Widerspruch, ich gelte gern als schrullig, das läßt mir manche Freiheit   –, niemand also wird sich wundern, wenn ich mich in großer Sorge um die Moral in dieser Stadt für eine Schließung des Theaters einsetzenmöchte. Jedenfalls niemand, der mich kaum kennt. Und ich bin sicher, daß unter diesen Leuten», sie schubste das Papier unwirsch über den Tisch, «keiner ist, der zu den Freunden unseres Hauses gehört. Zumindest hoffe ich das. Und nun, Claes, erzähle mir nichts von den großen Sorgen, die du dir um mich machen müßtest. Ich bin ganz Annes Meinung, es bedeutet nicht mehr, als diesen Leuten ein wenig schönzutun und so ein Treffen ohne

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