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Lorettas letzter Vorhang

Lorettas letzter Vorhang

Titel: Lorettas letzter Vorhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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das genaue Plazieren der Druckstöcke. Das half ihm, nicht daran zu denken, daß gerade um diese Stunde Loretta zu Grabe getragen wurde. Es half ihm auch, sich nicht an die gräßliche Auseinandersetzung zu erinnern, die Freda ihm gestern beschert hatte. Er hatte seine Schwester nie so rüde erlebt, zum erstenmal war es ihm nicht gelungen, ihren Unmut im Handumdrehen wegzuschmeicheln. Allerdings hatte es sich auch nicht um den üblichen Unmut wegen einer seiner kleinen Unregelmäßigkeiten gehandelt, sondern um glühenden Zorn. Natürlich hatte er zuerst alles abgestritten, wie könne sie ihn verdächtigen? Wie könne sie glauben, daß er in das Kontor eingebrochen sei?
    Er hatte ihrem Gesicht angesehen, daß sie von seiner Schuld nicht so überzeugt war, wie sie vorgab. Wie sollte sie auch? Es gab ja nur Verdächtigungen und Vermutungen. Aber sie war hart geblieben. Sie wisse natürlich nicht, ob er es gewesen sei, aber sie sei überzeugt, daß er mit der Sache zu tun habe. Und sie sei es leid, für seine Kindereien einzustehen, wobei dies wirklich keine Kinderei mehr sei, sondern ein schweres Verbrechen, das ihn den Hals kosten könne. Wenn er nicht selbst der Dieb sei, solle er gefälligst nachdenken, welchem seiner Kumpane er von dem defekten Schloß und dem Inhalt der Truhe erzählt habe. Schwarzbach habe ihr bis Montag früh Zeit gegeben, vielleicht sei noch etwas zu retten. Lukas hatte zu alledem schließlich geschwiegen, nicht aus Ärger oder Trotz, sondern weil er nicht wußte, was er dazu sagen sollte.
    Heute nachmittag wollte er darüber nachdenken. Nachdenken? Dazu war kaum Zeit, er mußte eine Entscheidung treffen. Vielleicht blieb ihm tatsächlich nur, schnell zu verschwinden. Verdammt, so hatte er sich das nicht vorgestellt. Wenn er nur wüßte, wo dieses verdammte Buch war! Wenn er es nicht fand, würde er noch ganz anderen Ärger bekommen.
    Behutsam setzte er die frisch bestrichene Druckform auf den Stoff. Nein, seine Hände zitterten auch jetzt nicht, er war ganz ruhig. Bis heute abend blieb noch viel Zeit, ihm würde schon etwas einfallen. Ihm mußte ja etwas einfallen.
    Hätte er allerdings gewußt, wer just in diesem Moment an Schwarzbachs Kontortür klopfte, wäre es mit seiner Ruhe gleich wieder vorbei gewesen.
    Wagner hatte an diesem Morgen viele Befragungen vor sich, das ganze Orchester und einige der Tänzerinnen, und auch wenn er nicht jede und jeden einzeln befragen mußte, würde es doch viel Zeit in Anspruch nehmen. Auf Lukas Blank war er inzwischen sehr viel neugieriger als auf alle anderen, den wollte er als ersten befragen. Er sah keine Notwendigkeit zur Diskretion, die ihn veranlaßt hätte, den jungen Drucker erst am Abend in seiner Wohnung aufzusuchen. Wer konnte auch wissen, ob ein unternehmungslustiger junger Mann am Sonnabend nach getaner Arbeit brav zu Hause bei seiner Schwester herumsitzen würde?
    Wagner betrat das Kontor, und Schwarzbach, der gerade über einem kleinen Stapel von Listen und Briefen saß, deren Inhalt leider von ferne nicht zu erkennen war, sprang beim Anblick des Mannes im dunkelblauen Uniformrock eilig auf. In unangemessener Eile, fand Wagner, und machte sich im Geiste eine Notiz.
    Man möge verzeihen, sagte er mit ergebener Höflichkeit, er bitte sehr darum, den Drucker Blank sprechen zu dürfen. Er wisse wohl, daß der mitten in der Arbeit stecke und unabkömmlich sei, aber es handele sich um den Tod der Komödiantin, Monsieur habe gewiß davon gehört, der Mord im Theater. Nein, nein, keine große Sache, man habe ihm nur berichtet, daß der junge Blank mit Mademoiselle Grelot bekannt gewesen sei, und Monsieur Schwarzbach werde verstehen, er habe die Pflicht, jeden zu befragen, der vielleicht einen kleinen Hinweis geben könne, der zur Aufklärung führe, ja, zur Aufklärung des Mordes. Es gebe absolut keinen Grund zur Sorge oder zu leichtfertigen Verdächtigungen. Er befrage in diesen Tagen viele Menschen, Blank sei nur einer von ihnen. Wirklich kein Anlaß zu Sorge und Mißtrauen. Gewiß sei der Drucker ein verantwortungsvoller, ehrbarer Mensch, aber es sei, wie es sei, und ob er, Monsieur Schwarzbach, bitte jemanden schicken könne, den Drucker zu holen? Er müsse ihn gleich befragen, und wenn er ein paar kurze Minuten in diesem Kontor oder einem anderen ungestörten Raum des Hauses   …?
    Wagner fand äußerst interessant, wie sich das Mienenspiel des Manufakteurs bei seiner wie üblich devot klingenden Rede veränderte. Für ein ungeübtes Auge

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