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Lorettas letzter Vorhang

Lorettas letzter Vorhang

Titel: Lorettas letzter Vorhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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unsichtbar, für Wagner wie ein offenes Buch. Zuerst schien er beunruhigt, dann unentschlossen, endlich wieder unbewegt, wie man es von einem reichen Mann mit allmählich wachsendem Einfluß in der Stadt erwartete.
    «Der Mord im Theater», sagte der Manufakteur schließlich, «ist eine schreckliche Geschichte.» Er selbst gehe bisweilen ins Theater, er brauche ja bei seiner schweren, verantwortungsvollen Arbeit hin und wieder ein wenig Amüsement. Auch halte er das Theater, anders als einige Leute in dieser Stadt, für völlig harmlos. Er könnesich wirklich nicht vorstellen, daß einer seiner Leute mit diesem Mord zu tun habe. Aber wenn der Weddemeister es wünsche, gewiß. Er lächelte verbindlich, was er allerdings umgehend einstellte, als Wagner ihn bat, ihn mit dem Drucker allein zu lassen.
    Lukas Blank betrat das Kontor, nur seine Hände, die er immer wieder an seinem groben, mit Beizeresten bekleckerten Kittel abrieb, verrieten Nervosität.
    Wagner hielt sich nicht lange mit Präliminarien auf. Er forderte Lukas auf, Platz zu nehmen, stellte sich selbst mit dem Rücken ans Fenster, und Lukas blieb nichts, als zu bestätigen, daß er mit Mademoiselle Grelot bekannt gewesen sei. In seinem Kopf ratterte eine kleine hektische Maschine, er durfte jetzt keinen Fehler machen. Was war vorteilhafter, nur flüchtig bekannt oder besonders gut bekannt? Er wußte es nicht, und so antwortete er einfach mit Ja, als der Weddemeister ihn fragte, ob er ihr sehr nahegestanden habe.
    «Ich weiß allerdings nicht, was Ihr darunter versteht», fügte er zögernd hinzu. «Ich habe sie recht gut gekannt. Um ehrlich zu sein, ich habe sie sehr verehrt, sie war eine große Künstlerin, sie   …»
    «Woher wußtet Ihr das? Sie war doch nur in sehr kleinen Rollen aufgetreten.»
    «In kleinen Rollen, ja», stotterte Lukas, «aber ein Kenner, und ich habe das Theater sehr oft besucht, ein Kenner merkt das schnell, auch bei kleinen Rollen. Ihre Bewegungen, ihre Gesten und ihre Sprache waren von großer Ausdruckskraft. Und nur wegen der Intrigen am Theater durften wir sie nicht in großen, ihrer Kunst angemessenen Rollen feiern.»
    Er gewann an Sicherheit, er fühlte sich auf dem richtigen Pfad. Die Intrigen am Theater. Natürlich. Nur jemandvom Theater konnte ernsthaft verdächtigt werden. Das mußte auch dem Weddemeister einleuchten, der gewiß nichts vom Theater verstand und am Abend nur sein Bier trank und Würfel spielte.
    «Und wann habt Ihr sie zum letzten Mal getroffen?»
    «Laßt mich nachdenken. Zum letzten Mal, sagt Ihr? Am späten Nachmittag. Im Hof des Theaters.»
    Wagner nickte. «Kann es sein, daß Ihr dort einen kleinen Disput miteinander hattet?»
    «Einen Disput? Oh, das meint Ihr. Eine ganz unwesentliche Unstimmigkeit. Ich hatte sie gebeten, mir zu erlauben, sie am Abend nach der Vorstellung abzuholen und nach Hause zu begleiten. Ihr wißt ja, die Straßen sind bei Dunkelheit für eine alleinstehende Dame trotz unserer ausgezeichneten Wächter nicht sicher.»
    «Nicht nur die Straßen», knurrte Wagner.
    «Gewiß, aber die Straßen doch besonders. Loretta, Mademoiselle Grelot, hat mein Angebot, um ehrlich zu sein: meine dringliche Bitte, strikt abgelehnt. Darüber war ich tatsächlich ein wenig ärgerlich. Ich nahm an, sie habe schon eine andere Begleitung, aber das stritt sie ab. Sie sagte, sie wolle mit Mademoiselle Rosina nach Hause gehen, einer Freundin vom Theater, mit der sie auch ein Zimmer bei einer Wirtin in der Neustädter Fuhlentwiete teile. Das sei sicher genug. Aber ich sorgte mich natürlich, ich bin zur Ritterlichkeit gegenüber Damen erzogen worden, Ihr werdet verstehen   …»
    «Ja, ich verstehe», schnitt Wagner ihm das Wort ab. Er hatte weder Zeit noch Sinn für Süßholzgeraspel. Hielt der Kerl ihn für blöde? «Und dann? Erzählt doch weiter. Dann wart Ihr im Theater. Man hat Euch dort gesehen. Während der ganzen Vorstellung?»
    «Während der ganzen Vorstellung. Bis uns gesagtwurde, das Theater sei nun geschlossen. Alle gingen nach Hause, ich auch. Ich dachte ja nicht im Traum daran, daß es Mademoiselle Grelot sein könnte, der ein Unfall, so wurde uns ja mitgeteilt, ein Unfall geschehen war. Nicht im Traum. Sonst wäre ich natürlich sofort hinter die Bühne geeilt, nichts hätte mich aufgehalten, ihr beizustehen. Mein Gott, es ist so tragisch, diese schöne junge Frau, sie war ein Engel, ein Engel der Kunst. Und so heiter.»
    «Ein Engel. Gewiß. Könnt Ihr mir einige Personen nennen, die mit

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