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Lorettas letzter Vorhang

Lorettas letzter Vorhang

Titel: Lorettas letzter Vorhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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Gasse direkt neben der, in der die Souffleuse, an diesem Abend war das bekanntlich Mademoiselle Grelot, ihren Platz hat.»
    Rosina hatte schon auf Wagner gewartet, als er am Vormittag endlich im Theater auftauchte. Sie hatte lange überlegt, ob sie ihm erzählen sollte, was Charlotte berichtet hatte, immerhin war die ein Kind, und zwar eines, dessen wuchernde Phantasie berühmt, um nicht zu sagen, berüchtigtwar. Aber dann hatte sie es Wagner erzählt, und plötzlich erinnerten sich auch der Lichtputzer und einer der Gehilfen des Maschinenmeisters, der für das Hinaufziehen und Herablassen des Vorhangs verantwortlich war, daß sie Lukas an dem Abend hinter der Bühne gesehen hatten. Vor dem Mord, danach allerdings nicht mehr. Aber da hatte natürlich niemand auf anderes als die Tote geachtet. Und außerdem, sagten sie, der Weddemeister habe doch nach Fremden gefragt, Lukas Blank sei schließlich Lorettas Freund gewesen. Habe das nicht jeder gewußt?
    Das, wußte wiederum Wagner, stimmte nicht ganz, aber er war gewöhnt, falsche und vor allem halbwahre Antworten zu bekommen.
    Charlotte beantwortete seine Fragen mit einer weit über ihr Alter hinausreichenden Ernsthaftigkeit. Er sah keinen Grund, ihr nicht zu glauben. Und tatsächlich, davon überzeugte er sich selbst, war der Kulissenmaler, der einen ähnlichen Rock wie Lukas besaß, einen ganzen Kopf kleiner als der Drucker.
    Das Verhör in der Fronerei dauerte an diesem Abend nicht mehr lange. Lukas kam zu dem Schluß, daß der Weddemeister nichts von dem Musterbuch wußte. Offenbar hatte die vermaledeite Komödiantin diesen Teil der Geschichte für sich behalten, und Lukas wußte nicht, ob das ein gutes Zeichen war. Eher ein schlechtes, denn es konnte bedeuten, daß sie das Buch gefunden, seinen Wert erkannt hatte und nun selber das Geschäft machen wollte. Es würde ihr allerdings ziemlich schwer fallen, es in der Stadt an den richtigen Mann zu bringen, und sollte sie es versuchen, würde sie eher der Wedde übergeben werden, als reich zu werden. Eine dumme Komödiantin, von der niemand Ehrbarkeit und Tugendhaftigkeit erwartete. Das sollte ihm recht sein. Dann war er diesen kleinen Fehltritt,so nannte er den Diebstahl des Buches für sich, ein für allemal los. Er würde schon gut genug lügen, um klarzumachen, daß er mit diesem Buch nichts, aber auch gar nichts zu tun hatte. Warum auch gerade er? Bei Schwarzbach arbeiteten mehr als 200   Leute. War es nicht viel naheliegender, daß ein Couleurmacher dem anderen seine Rezepte stahl? Und wenn Lorettas Freundin gar nicht so harmlos und brav war, wie sie tat? Wenn sie das Buch gefunden, das Ölpapier gelöst und den wertvollen Fund gleich zu Schwarzbach getragen hatte? Der Name der Kattunmanufaktur stand ja schön gedruckt auf der ersten Seite. Schwarzbach würde sie dafür und vor allem für ihr Schweigen gut belohnen. Er hatte den Diebstahl nicht angezeigt, ganz gewiß nicht, weil er so edel war, Freda eine Chance zu geben, die Muster wiederzubeschaffen, um den Namen Blank sauber zu erhalten. Nein, Schwarzbach wollte nicht, daß der Diebstahl sich herumsprach. Vor allem nicht der Diebstahl der Beizenrezepte. Davon hatte Freda nichts gesagt, aus irgendeinem Grund hatte Schwarzbach das offensichtlich für sich behalten. Warum?
    Lukas Blank begann zu zittern. Wenn das verdammte Buch auf diese Weise verschwunden blieb, wenn es so aussah, als sei es nie aus dieser Truhe fortgewesen, gab es für die Wedde und die Richter nur noch einen, nur diesen mörderischen Grund, warum er in den Kulissen gewesen war.
    Lukas war übel. Die Schlinge um seinen Hals zog sich schon zusammen. Was sollte er tun? Er schloß die Augen und versuchte ruhiger zu atmen. Er mußte ruhig bleiben.
    «So, Blank, genug gegrübelt.» Wagner klopfte mit dem leeren Wasserkrug auf den Tisch. «Ich will nun eine Antwort. Was wolltet Ihr während der Vorstellung in den Kulissen? Was habt Ihr dort gemacht?»
    So gestand er schließlich, hinter der Bühne und auch zwischen den Kulissen gewesen zu sein. Er habe Mademoiselle Grelot um Verzeihung bitten wollen, denn tatsächlich sei ihr Streit doch rüder gewesen, als er am Vormittag dem Weddemeister gesagt habe. Er wollte sie um Verzeihung bitten, aber dann habe er gesehen, daß sie nicht gestört werden durfte, sie mußte einhelfen, und es hätte sie kaum für ihn eingenommen, wenn er gerade in diesem Moment mit seiner Reue gekommen wäre. Also habe er sich leise wieder davongeschlichen, zur Hintertür

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