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Lost Girl. Im Schatten der Anderen

Lost Girl. Im Schatten der Anderen

Titel: Lost Girl. Im Schatten der Anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfram Ströle
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der Vergangenheit schon andere überreden können, mir zu helfen. Aber ich bin noch nicht am Ziel. Du würdest hier wohnen und wärst rundum versorgt. Einige der Versuche können Schmerzen verursachen, aber sie wären schnell vorbei. Und sobald ich alles weiß, was ich von dir lernen kann, bist du frei zu gehen.«
    »Müssen Sie nicht die anderen Meister fragen, bevor Sie mir ein solches Angebot machen? Vielleicht finden Elsa und Matthew ja, ich sollte ausgelöscht werden.«
    »Ich glaube nicht, dass sie mir widersprechen würden«, sagt Adrian gelassen.
    Offenbar glaubt er, dass Elsa glücklich über jedes erhaltene Leben ist – aber Matthew? Ist Adrian sich seiner Freundschaft zu Matthew so sicher, dass er weiß, Matthew wird nichts gegen seine Experimente einwenden?
    »Es ist deine einzige Möglichkeit«, fügt Adrian hinzu. Er klingt jetzt härter, kälter. »Deine einzige Chance zu überleben.«
    »Sie haben gesagt, Sie würden mich verschonen. Es gäbe keinen Prozess. Aber was ist, wenn ich achtzehn werde? Was ist mit dem Schlafbefehl? Ich bin vor ihm geflohen. Wenn ich Ihnen helfe, machen Sie dann auch den Schlafbefehl rückgängig?«
    »Wie gesagt, du wärst frei zu gehen. Aber deine Nenneltern haben den Schlafbefehl unterschrieben. Es war ihre Entscheidung und ich kann sie nicht zwingen, dich zurückzunehmen. Wenn sie dich zu gegebener Zeit also nicht wiederhaben wollen, müssen wir ein anderes Leben für dich finden. Aber ja – ich werde den Schlafbefehl widerrufen. Du wirst leben.«
    »Und wenn ich lieber sterbe?«
    »Das wäre die Alternative. So wie es steht, wäre ein Prozess schnell vorbei.« In seinen goldenen Augen ist kein Mitleid zu erkennen. »Ich gebe dir eine Chance. Ergreife sie.«
    Ich schlucke. Ich weiß genau, was ich ihm eigentlich sagen will, darüber brauche ich nicht nachzudenken. Die Vorstellung, monatelang wie ein Versuchskaninchen behandelt zu werden, ist furchtbar. Ich will mein Schicksal nicht in Adrians Hände legen, damit er etwas schaffen kann, was bisher unmöglich war. Zwar bliebe mir ein Prozess erspart und genauso der Schlafbefehl, aber ich müsste einen hohen Preis zahlen.
    Doch bevor ich zu einer spontanen, empörten Antwort ansetzen kann, ermahnt mich eine Stimme in meinem Kopf, erst zu überlegen. Es ist die Stimme der Vernunft, Amarras Stimme, ich solle Adrian um noch etwas bitten.
    »Was geschieht mit Sean?«
    »Dem Jungen?«
    »Ja. Was geschieht mit ihm, wenn ich zustimme?«
    Adrian legt den Kopf schräg und überlegt. Dann sieht er mich listig an. »Was soll denn mit ihm geschehen?«
    »Ich habe ihn gezwungen, mir zu helfen«, sage ich, jedes Wort sorgfältig abwägend. »Deshalb wäre es nicht gerecht, wenn er bestraft würde. Wenn ich mich bereit erkläre, zu bleiben, soll er dafür gehen dürfen. Gleich jetzt. Ich weiß zwar, dass er kein Vormund mehr sein kann, aber das soll seine einzige Strafe sein. Sie dürfen ihn nicht der Polizei übergeben oder ihn einsperren oder was sie sonst mit Vormunden tun, die die Gesetze brechen.«
    »Also gut«, sagt Adrian, und ich höre ihm an, dass er mir meine Lüge nicht glaubt, »er kann gehen. Gleich, wenn du willst.« Es klingt geringschätzig. »Der Junge ist mir egal. Er interessiert mich nicht.«
    Ich hole erleichtert Luft und lasse sie wieder entweichen. Dann schlucke ich den sauren Geschmack auf meiner Zunge hinunter.
    »Dann bleibe ich. Ich helfe Ihnen.«
    »Ausgezeichnet.« Adrian steht auf. »Ich sagte Ophelia, du hättest vernünftig entschieden. Wir fangen gleich morgen mit der Arbeit an.«
    Morgen. Ein Schauer überläuft mich. Das heißt, mir bleibt nur sehr wenig Zeit.
    Adrian öffnet die Tür. Draußen stehen Ophelia und der Wächter mit den blauen Augen. Ophelia blickt so bekümmert drein, dass ich Mühe habe, ihr weiter böse zu sein.
    »Bring den Jungen her«, sagt Adrian beschwingt. Der Wächter nickt und verschwindet. Adrian lächelt Ophelia an und sie atmet sichtlich auf. Adrians Lächeln ist ein wenig freundlicher als das, mit dem er mich begrüßt hat. »Wir haben eine Vereinbarung getroffen.«
    Ich glaube nicht, dass Ophelia weiß, worin unsere Vereinbarung besteht. Adrian sieht mich an. Abwartend. Meine Zunge klebt am Gaumen. Ich könnte Ophelia alles sagen. Dass ihr Vater für mein Leben einen hohen Preis verlangt und was dieser Preis ist. Offenbar war Adrian ein guter Vater und sie hat mich nur deshalb an ihn verraten, weil sie glaubte, bei ihm wäre ich sicher. Offenbar sieht sie etwas Gutes in

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